Es gibt Köche in Bayern, die sind omnipräsent und schreiben Kochbücher wie andere Fortsetzungsromane. Daneben gibt es aber auch Spitzenköche in Bayern, die im Stillen wirken, ihre Wurzeln nicht verleugnen, die Tradition hochhalten und sich Neuem nicht verschließen. Einer davon ist Alexander Huber, der in seinem Sternerestaurant „Huberwirt“ in der 11. Generation kocht. Gelernt in Häusern wie dem „Tantris“ und „Barreis“ zelebriert er „Bayerische Küche vom Feinsten“. Dies ist auch der Titel seines Kochbuches, in dem er auf 240 Seiten mit 60 Rezepten zeigt, dass bayerische Küche mehr ist als urige Hausmannskost. Regionalität mit unverfälschten Grundzutaten
FischpflanzerlGetreu dem Motto: Produkt bleibt Produkt und darf nicht verfälscht werden, komponiert er seine Gerichte und interpretiert oberbayerische Wirtshausküche auf moderne, innovative Art. Das schließt auch die Verbindung regionaler Zutaten mit internationalen Produkten nicht aus. Tradition und Moderne in trauten Einklang. Aber, um es vorweg zu sagen, sich nach der Lektüre einfach an den Herd stellen und Nachkochen, dürfte schwierig sein, selbst für arrivierte Hobbyköchen. Die meisten Gerichte bestehen aus vielen Einzelteilen und auch die Zutaten sind sicherlich nicht mal gleich um die Ecke zu bekommen. Aber das möchte ich nicht als Nachteil werten. Im Gegenteil. Es sind die überraschenden Kombinationen, das Zusammenführen vieler Komponenten zu einem perfekten Ganzen: Kochkunst halt. Wenn man sich die Rezepte anschaut, wird einem schnell klar: hier hat sich einer Gedanken gemacht, ausprobiert und sich nicht gescheut manchmal Sachen zusammenzubringen, von denen man gedacht hat; das geht doch nicht. Jedes Rezept liest sich wie eine Partitur, wo jedes Instrument, jede Zutat in diesem Fall, eine Rolle spielt und sich dem Ganzen unterordnet. Erst im Zusammenspiel wird die Harmonie schmeckbar.
Rezepte, Bilder und Texte in wunderbarem Gleichklang
Wunderbar ins Bild gesetzt sind die einzelnen Gerichte und auch die Porträts von den Fotografen Lukas Kirschgasser und Stefanie Primeßnig. Die Beitexte von Christian Hügel vermitteln einen tiefen Einblick in die Person Alexander Huber, seinen Werdegang und sein Umfeld. In allem wird deutlich, wie tief verwurzelt Huber in seine Heimat ist. Dies zeigen auch einige Gastbeiträge seiner Berufskollegen und Freunde.
Aber nun zu dem Buch selbst. Die Aufmachung ist vom Feinsten. Von der Haptik angefangen über die naturalistischen, authentischen Fotos bis hin zur übersichtlichen Anordnung der Rezepte.
Kalte Küche und heiße Suppen
Los geht‘s mit der „Kalten Küche“ laut Huber, die Visitenkarte des Restaurants. Hier fällt auf, dass besonders viele heimische Fischarten Verwendung finden. Das ist gut so. „Huchen im Lardo mit Linsensalat, Schmorzwiebeln und Kimizu“, „Eingelegte Renke mit Gurke, roter Zwiebel und Austernkraut“ oder „Bachforelle mit Rona, Zungenwurst und Gravensteiner“ unterstreichen Hubers Aussage, dass die Grundzutat aus der Region kommen muss. Aber auch die „Nichtfischesser“ kommen mit einer „Bratensülze vom Spanferkel mit Schnittlauchschmand und Radieserl“ auf ihre Kosten. Für Huber, bekennender Suppenfan, sind Suppen eine ideale „Spielwiese“ um seinen Inspirationen freien Lauf zu lassen. Dies zeigt er bei seinen auf die Kalte Küche folgenden Suppenkreationen. So z.B. bei einer „Bayerischen Bouillabaisse“. Aber auch ein „Cremesüppchen von Karotte und Tomate mit Schinkenhörnchen“ oder eine „Rindssuppe mit Leberknödel, Povesen und Brätnockerl“ erfreuen nicht nur Suppenfans.
Etwas für zwischendurch
Von der Suppe zu den Zwischengängen, die Huber als kulinarische Überraschungsmomente sehen möchte. Dabei darf natürlich, der Klassiker schlechthin, ein „Kalbslüngerl mit Semmelknödel und Gemüse“ nicht fehlen. Auch ein Ausflug in die Geflügelküche mit „Entenjung mit Teigknödel, Apfel, Kraut und Petersilie“ oder ein „Bauernhendl mit Getreide, Kukeruz und Bayerischer Garnele“ verspricht Genussvolles.
Wiesnrezepte
Dass man in Bayern Feste feiern kann zeigt nicht nur das Oktoberfest. 8 verschiedene, kleine Köstlichkeiten zu einer sogenannten „Wiesnbrotzeit“ hat Huber zusammengestellt. Wenn man die Rezepte für Obazda, Fleischpflanzerl, Erdäpfelkas oder Zungenwurstsalat liest, sieht man sich schon auf Wirtshausbänken vor einem Maß Bier sitzen und der Blasmusik lauschen. Dies gilt auch für die etwas aufwendigeren Speisen wie einem „Knuspriger Schweinebraten vom Wammerl mit Krautsalat und Grammelknödeln“ oder für die Vegetarier mit „Rote Bete – und Spinatknödel mit brauner Butter und Bergkäse“. Auch an „Burgerfans“ ist mit einer Ochsenfleischsemmel“ gedacht.
Alltägliches und Sonntägliches
Kasnockerl„Dem Mittagessen eine Chance geben“ könnte über dem nachfolgenden Kapitel stehen. Hier präsentiert Huber fünf Gerichte, die auch (die Ausnahme) zuhause gut nachzukochen sind. Unter Anderem „Gefüllte Paprika mit Graupenrisotto“ und ein „Clubsteak mit BBC- Lack, gratinierten Pommes und Speckbohnen“.
Vom Alltag zum Sonntag. Sich Zeit nehmen. Zusammen an einem Tisch sitzen. Die Gerichte deutlich zeitaufwendiger und opulenter. Wer möchte nicht dabei sitzen bei „Geschmorter Rehschulter in Preiselbeerjus mit Rehpflanzerl, Brokkoli und Speckkücherl“ oder bei einem „Lammragout mit Spargel und bayerischem Reis“ um nur einige zu nennen.
Eine Hommage an die heimischen Fische folgt mit fünf ausgesuchten Rezepten, unter denen sich auch ein „Krosses Zanderfilet mit Blutwursttascherl und Rahmsauerkraut befindet“.
Unter „ Bayerische Avantgarde“ versteht Huber Gerichte, die zwar traditionellen Ursprung aber eine lange Experimentierphase hinter sich haben, um letztlich mit viel eigener Handschrift zur Vollendung zu reifen. Hier einige Beispiele: „Zander und Wammerl mit Blumenkohl und Kapern-Rosinen-Jus“, „Ochsenbackerl im Sauerbratenstyle mit Pumpernickel, gebratenem Romanaherz und Steinpilzen“.
Das Beste kommt immer zum Schluss
Was Süßes zum Schluss darf natürlich in keiner Küche und somit auch in keinem Kochbuch fehlen. Was Huber hier auf die Teller zaubert ist in der Tat „Vom Feinsten“ . Ob leicht und beschwingt oder kontrastreich, hier ist für jedes Leckermaul etwas dabei. Wie wäre es mit einem „Topfensoufflé mit Rhabarber, Himbeeren und Michschokoladeneis“, einer „Schokoladenbanane mit Holler und Buttermilch“ oder ein Hauch Österreich mit „Wiener Sacher, Wachauer Marille und Karamellschaum“. Zum Abschluss des Rezeptereigens gibt‘s dann noch Gebackenes und Wirtshausgebäck beispielsweise einen „Marmorierter Guglhupf mit Rumsahne“. All diese süßen Rezepte zeigen, dass Huber seinen Hang zur Patisserie nicht verleugnen kann.
Wie kann‘s anders sein, bilden die, für die Basis des Kochens unerlässlichen Grundrezepte den Abschluss dieses wunderbaren Kochbuches. Letztlich ist auch die Übersichtlichkeit des Buches, von der Zutatenliste über die Zubereitung bis hin zum Anrichten der Speisen zu loben. Alles ist verständlich und nachvollziehbar. Das Einzige was fehlt ist ein kurzer Hinweis für wie viele Personen die Gerichte gedacht sind.
Fazit
Ein tolles Buch, welches deutlich über die Grenzen eines „normalen“ Kochbuches hinausgeht. Es gibt Einblicke in die Philosophie des innovativen Kochs Alexander Huber, macht deutlich wie wichtig im Regionalität und Individualität sind. Seine eigne Handschrift ist unverkennbar und es läuft einem das Wasser im Munde zusammen wenn man seine Rezepturen liest. Die aussagekräftigen Fotos sind dann letztlich das Tüpfelchen auf dem i. Es lohnt sich reinzuschauen und Appetit zu holen.
Bayerische Küche vom Feinsten
Alexander Huber
Matthaes Verlag
ISBN 978-3-98541-049-1
49,90 Euro
Text: Horst Kröber; Aufmachermontage: bonbinitas; Fotos: PR bzw. aus dem Buch