Piwi-Weine, pilzwiderstandsfähige Sorten – was gibt es Gutes und Neues? Sowohl das Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof des Julius Kühn-Instituts, Bundesforschungsanstalt für Kulturpflanzen, in Siebeldingen/Pfalz, wie das Staatsweingut bzw. der Staatsweinkeller Baden-Württemberg in Freiburg/Baden als auch das Weingut Galler in Kirchheim an der Weinstraße/Pfalz, das Versuchsanbau macht, haben uns Probeweine gesandt.
Hintergrund ist der Pilzbefall von Reben. Seit 1845 tritt der Pilz „echter Mehltau“, Volksname Oidium, auch in Europa auf und schädigt Reben und auch Trauben leider sehr nachhaltig bis zum Totalverlust. Gleiches gilt bedauerlicherweise auch für den „falschen Mehltau“, Volksname Peronospora, der 1878 nach Europa eingeschleppt wurde. Leider sind unsere edlen europäischen Sorten gegen dies Pilze nicht resistent, so dass die Winzer in der Regel gezwungen sind, zu mehr als zu natürlichen Maßnahmen zu greifen. Da Beobachtungen ergeben haben, dass sowohl amerikanische Wild- wie asiatische Reben dagegen gefeit sind, wird insbesondere von Forschungsinstituten mit Kreuzungen versucht, pilzwiderstandsfähige Sorten, s.g. Piwi-Sorten, zu züchten. Davon gibt es immer wieder neue, deren Weine jedoch den allgemeinen Qualitätsansprüchen standhalten müssen. So war diese redaktionelle Verkostung, die im Gegensatz zu unserem Weinführer mit Blindverkostungen durch Fachleute meine persönliche Meinung darstellt, sehr interessant, wovon ich die besten Gewächse hier vorstellen möchte:
Zunächst die Weißweine
Mit 85 Punkten bewertet – nach unserem Bewertungssystem im Weinführer – habe ich den 2016 Weißwein trocken der Sorte Gf.1993-22-6 vom Geilweilerhof mit angenehmen 11% Alkohol (Kategorie 1- trocken bis 12%, grüne Punkte) und notiert: In der Nase reif mit Noten von Herbstäpfeln, Apfelkuchen, Cashewnüssen; kräftiger Körper mit Rückgrat und Biss mit durchaus präsenter, rassiger Säure und anhaltend weinigem Finish, passt gut zu Poularde oder Wiener Schnitzel. Die Kreuzung, die bislang nur eine Nummer trägt, gelang 1993 mit einem Einsparungspotenzial von Fungiziden (chemischer oder biologischer Wirkstoff gegen Pilze) von bis zu 80%. Dr. Oliver Trapp vom Institut für Rebenzüchtung Geilweilerhof: "Die Sorte ist unter dem Namen "Calardis blanc" zum Sortenschutz angemeldet, und wirerwarten den Sortenschutz 2018."Für ebenfalls 85 Punkte befand ich die 2016 Bacat Weißweincuvée trocken vom Staatsweinkeller Freiburg. Bacat ist ein Markenname des Staatlichen Weinbauinstituts Freiburg, unter dem Cuvées aus Piwi-Sorten vinifiziert und angeboten werden, so dass man eine amtliche Prüfungsnummer erhalten hat. Ein Biowein in der netten 2,25 l „Grünen Weinbox“ mit Zapfhahn, zu der ich notiert habe: Im Bukett Noten von Kräutern, hellen Kirschen, Zuckermelone; kräftiger Körper mit floraler Frucht, die an Holunder erinnert, was sich Finish nachhaltig fortsetzt. Bei angenehmen 12,5% (rote Punkte für trocken ab 12,5%) vermache ich dem Tropfen trotz relativer Leichtigkeit ein Reifungspotenzial von drei bis vier Jahren, ein Wein wie ein fröhlicher Jahrmarkt mit Fahrgeschäften. Passt gut zu würzigeren Speisen wie Grillspieße oder Pekingente. Der Staatsweinkeller propagiert obendrein die „Grüne Weinbox“ als deutlich energie- und CO2-sparender gegenüber herkömmlichen Weinflaschen.
Für ebenso 85 Punkte befand ich den 2016 Ebringer Johanniter trocken des Staatsweinguts Freiburg, ökologischer und VDP-Ortswein: Dezenter Duft nach Birnen und Cashewnüssen; kräftiger, süffiger Körper mit 13,5% und Rückgrat, was sich mit angenehm belebender Säure in Finish fortsetzt; ein saftiger Wein mit gut drei bis vier Jahren weiterem Potenzial. Passt gut zu Schweinebraten, Schnitzel oder Grillhähnchen. Die Sorte wurde 1968 vom Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg gezüchtet und ist inzwischen in ganz Deutschland verbreitet, allerdings mit sehr minimalen Flächen.
Als sehr zukunftsweisend habe ich die Sorte Felicia empfunden, die 1984 am Geilweilerhof gezüchtet wurde: 89 Punkte für den 2016 Siebeldinger Mönchspfad Felicia Kabinett trocken, Geilweilerhof/Pfalz. Denn eine solche Qualität muss man mit einem 11,5%-Wein (grüne Punkte) erst einmal hinbekommen: Reifes Bukett Richtung Weißburgunder mit Anklängen an frische Äpfel und einem Hauch Butter; auf der Zunge sehr harmonisch, süffig, mundfüllend; im Finish frisch mit zarter Terroirnote; rundum ein harmonischer, leicht zugänglicher, kräftig-süffiger Tropfen, Riesling-ähnlich, der Spaß macht; mit gut zwei bis drei Jahren Potenzial. Passt gut als Aperitif zu Fingerfood, zu Fisch gebraten oder Schweinebraten. Der Geilweilerhof nennt bei dieser Sorte ein Einsparungspotenzial von Fungiziden gegen Pilze von bis zu 70%.
Mit ebenfalls 89 Punkten bewertet habe ich den „Friedrich“, 2016 Johanniter trocken des Weinguts Galler in Kirchheim/Weinstraße/Pfalz: harmonischer, reifer Duft nach reifen Birnen, Feigen, Vanille; auf der Zunge ein reifer, mundfüllender, sehr harmonischer Wein mit gut eingebundener Säure; füllendes Finish mit Terroirnoten; insgesamt ein runder, mundfüllender Tropfen, wie ein holzgetäfelter Salon; mit gut fünf Jahren Zukunft. Ich wäre gespannt, wie er sich dann präsentiert. Passt gut zu geräuchertem Fisch, wie Schillerlocken, zu Schweinefilet oder Kalbsbraten.
Nochmals das Weingut Galler mit „Feodora“, 2016 der Sorte VB.CAL.6-04 trocken, im Versuchsanbau, doch schon deutscher Qualitätswein Pfalz mit Prüfungsnummer: Kräftiger, reifer Duft mit Noten von grünen Walnüssen, Herbstäpfeln, Nusskuchen; am Gaumen ein kräftiger mundfüllender Tropfen mit eigener Aussage, der im Finish lange bleibt und in interessanten floralen Noten gipfelt. Ein kräftiger Wein mit angenehmen 12,5% und eigener Persönlichkeit, wie eine Jugendstilvilla; mit gut vier bis fünf Jahren Potenzial, den ich mit 90 Punkten bewertet habe. Schön zu Räucherfisch, Schweineschnitzel oder gebratener Leber. Ich denke, eine Sorte, die es zu entdecken gilt.
Ein Rosé feinherb
Mit 88 Punkten (Weine mit Restsüße, orange Punkte) bewertet habe ich den 2016 Bacat Rosé ökologischer Wein des Staatsweinguts Freiburg, wie erwähnt eine Cuvée unter dem Markennamen Bacat mit Prüfungsnummer Baden: fruchtiger Duft nach Himbeeren, roten Johannisbeeren, Johannisbeergelee; fruchtiger intensiver Körper, in dem sich die genannten Noten fortsetzen, sowie Anklänge an Erdbeerbowle; fruchtig weiniges Finish, das zum Nachtrinken animiert. Ein Wein, der Spaß macht, wie eine Operette. Schön als Aperitif sowie als Terrassenwein oder zu würzigeren Gerichten wie Couscous oder marinierten Grillsteaks.
Zu den Rotweinen
Für 88 Punkte wert befand ich den 2015 Bacat rot trocken vom Staatsweinkeller Freiburg, eine rote Cuvée von Piwi-Sorten mit amtlicher Prüfungsnummer Qualitätswein Baden in der grünen Weinbox: Tiefer Duft nach Kirschmarmelade, Toast, Teer; kraftvoller Körper mit Tiefe und einem Hauch südländischer Exotik; im Finish gut eingebundene Tannine und nochmaligen Toast- und Teernoten – sehr trocken; ein eher südländischer Rotwein, wie eine warme Nacht mit lauem Wind. Gut acht bis zehn Jahre Zukunft, in der er noch runder werden dürfte. Schön zu Sauerbraten oder Wildgulasch.
Mit 92 Punkten bewertet habe ich den 2014 Blankenhornsberger Cabernet Carbon ökologischer und VDP-Ortswein, Staatsweingut Freiburg: Sehr elegantes Bukett mit Anklängen an Kirschkonfitüre, Bitterschokolade und einem Hauch Teer; am Gaumen ein eleganter harmonischer Rotwein mit viel Aussage und einem ausgewogenen Rotweinfinish; ein eleganter Rotwein „aus gutem Hause“, Spätburgunder-ähnlich, mit viel Harmonie. Schön zu Rehrücken rosa oder Filetsteak. Cabernet Carbon ist eine vom Staatlichen Weinbauinstitut Freiburg 1983 gezüchtete pilzwiderstandsfähige Rotweinsorte.
„Den Vogel abgeschossen“ mit 95 Punkten hat „Kunigunde“ 2015 VB 91-26-29 deutscher Qualitätswein Pfalz trocken des Weinguts Galler: Sehr edler Duft nach Cassis, Kirschmarmelade, Johannisbeergelee, Milchschokolade; auf der Zunge sehr harmonische Tannine, Tiefe, Frucht, gut balanciert; angenehmes Rotweinfinish mit reifen Tanninen; kurzum ein edler, reifer Rotwein, wie ein Michelin-Stern-Restaurant am Abend, mit „noch“ 13,5% und viel Zukunft von gut acht bis zehn Jahren. Passt gut zu Rumpsteak, Filetsteak oder Hirschkalbskeule. Ich bin gespannt, wie die Sorte dann heißen wird, auf jeden Fall muss man sie sich merken.
Dieter Simon, Chefredakteur und Herausgeber bonvinitas; Titelfoto bonvinitas, andere Fotos PR, sofern nicht anders angegeben.