Im Kaiserstuhl, Blick auf den s.g. Lasso-ähnlíchen Texaspass
Ob im Fernsehen, in Fachmagazinen, als Event-Veranstalterin, Probebesprecherin oder Buchautorin, Natalie Lumpp scheint omnipräsent zu sein. Nun hat die gebürtige Baden-Württembergerin mit „Weinland Baden Württemberg“ ein Buch über ihre Heimatregion und deren Weine geschrieben. Auf 160 Seiten durchstreift sie nicht nur das „Ländle“, sondern streift auch viele Themen. Absichtlich benutze ich das Wort streift, denn wer eine in die Tiefe gehende Analyse in diesem Buch erwartet, kommt sicherlich nicht auf seine Kosten. Quirlig, locker vom Hocker, springt sie von Thema zu Thema, erzählt kleine Geschichten und Anekdoten und gibt nebenbei ein paar Infos da, ein paar Empfehlungen hier. Das liest sich gut und flüssig und auch der Nichtweinkenner wird hier nicht mit Fachchinesisch konfrontiert. Die vielen farbigen Bilder sind schön anzuschauen und nehmen genau so viel Platz ein wie der Text. Mit „Land und Leute“, „Genuss pur“ und „Das perfekte Weinerlebnis“ ist das Buch in drei Abschnitte eingeteilt.
Baden und Württemberg, Weine und Terroir
Im ersten Abschnitt werden die einzelnen Territorien der beiden Weinanbaugebiete Baden und Württemberg vorgestellt. Hier wäre etwas mehr Neutralität angebracht gewesen und nicht wie das bei vielen solcher Bücher der Fall ist: Empfehlungen spezieller Weingüter. Das hat immer so ein „Gschmäckle“ und benachteiligt all die Weingüter, die mit ebensolcher Liebe ihren Beruf ausüben wie die Genannten. Ansonsten ist dieser erste Abschnitt sehr informativ und zeigt alle Unterschiede und Besonderheiten der betreffenden Regionen auf. Ich hätte mir allerdings, was die Weinfestempfehlungen von Stuttgart und Heilbronn betrifft, nicht zweimal den gleichen Anfangssatz gewünscht.
Neue Wege und Quereinsteiger
Weißweincocktail. Foto: johannes guggenbergerBeim Thema „Württemberg versus Baden“ beschäftigt sich Lumpp mit Unterschieden und Gemeinsamkeiten der beiden Anbaugebiete und deren „Weinmachern“. Tradition und Innovation, neue Wege, was Weinanbau und -ausbau betrifft, beleuchtet sie genauso, wie auch die gelungenen Zusammenarbeit junger Winzer und Quereinsteiger. Das schließt auch die erklärte Solidarität mit der Vereinigung „Vinissima" mit ein. Dass Lumpp in diesem Kapitel eine Lanze bricht für den Erhalt der Steillagen und das Genossenschaftswesen hat mir besonders gut gefallen.
Mit der Frage „Sekt oder Champagner“ wird der zweite Abschnitt eingeläutet. Gut verständlich beschreibt sie Unterschiede der beiden, Historie und Gesetzmäßigkeiten. Der Secco darf dabei natürlich nicht fehlen. Dann folgt ein Kapitel, das zwar gut gestaltet und aufbereitet ist, bei dem ich mich allerdings gefragt habe, was dies mit dem Weinland Baden Württemberg zu tun hat. Aber „jung spritzig, kreativ“ kommt halt gut an. So stellt Lumpp auf 8 Seiten 16 Mixgetränke vor. Würden alle Wein oder Sekt enthalten, könnte man darin noch einen Sinn erkennen. Was aber hat ein Drink mit Namen „Gurkenexplosion“, in dem sich Salatgurken, Zitronen und Wasser befinden mit dem Weinland Baden Württemberg zu tun. Ganz klar: Thema verfehlt!
Von „Wein und Schokolade“ und Weinansprache bis zum Klimawandel
Exotischer Glühwein. Foto: johannes guggenbergerBei Rosè, Orange- und Naturwein kommt sie dann wieder ins richtige Fahrwasser. Auch die Streifzüge durch die Themen Cuveès, Dekantieren und Karaffieren sind informativ und lesen sich gut. Beim Kapitel Dessertweine hätte ich mir allerdings gewünscht, dass entsprechende Öchslewerte angegeben werden. Bei Eiswein schreibt sie: „… müssen bei minus sieben Grad geerntet werden“. Dort hätte es heißen müssen mindestens 7 Grad minus, versehen mit dem Zusatz je kälter, desto besser. Sie müssen auch in diesem gefrorenen Zustand nicht nur geerntet werden sondern auch gepresst werden. Gut dann wiederum ihr „Leib und Magen Thema“ Wein und Schokolade und die Abhandlungen über Trollinger und Gutedel und Federweißer und Straußwirtschaften. Ein paar Glühweinrezepte beenden dieses 2. Kapitel. Viel Berufserfahrung sind sicherlich in das letzte Kapitel “Das perfekte Weinerlebnis“ mit eingeflossen. Hierin beschäftigt sich Lumpp mit der vielschichtigen Weinansprache, gibt Tipps für den Weineinkauf, die Weinlagerung und geht auf Themen wie Weingläser, Trinktemperatur, Etiketten und Verschlüsse ein. Ein Lob möchte ich aussprechen für den Abschnitt über das Terroir und die kleine Bodenkunde. Der Auswirkung des Klimawandels auf den Weinbau sind zwei Seiten gewidmet. Kurz gestreift werden zum Schluss auch Piwis und der VDP.
Fazit
Nur etwa die Hälfte des Buches wird dem Titel „Weinland Baden Württemberg“ gerecht. Die andere Hälfte könnte auch auf jedes andere Weinanbaugebiet zutreffen. Vieles, wie Lagerung, Gläser, Etiketten, Trinktemperatur etc. ist nicht neu und hat man schon, jeweils anders verpackt, hunderte Male gelesen. Doch hat dieses Büchlein einen hohen Unterhaltungswert. Es liest sich flüssig, enthält manche Tipps und die eingestreuten kleinen Geschichten und Anekdoten sind interessant und informativ. Die Bilder lockern das Ganze auf und streuen bunte Tupfer in die Textpassagen. Um beim Thema zu bleiben. Sicherlich ist es kein Buch, das wie ein schwerer kraftvoller Grauburgunder im Barrique ausgebaut daherkommt, sondern eher ein leichter, lebendig frischer Müller-Thurgau für zwischendurch oder einfach mal so. Aber ich nehme an; genauso war es auch gedacht.
Rezension: Horst Kröber; Fotos und Abbildungen: Verlag sofern nicht anders angegeben. Aufmachermontage: bonvinitas
Weinland Baden-Württemberg
Natalie Lumpp
160 Seiten, 180 Farbfotos
Klappenbroschur, 19 x 25,3 cm
Belser Verlag, Stuttgart, Sept. 2020
ISBN978-3-7630-2854-2
20 Euro