Mit der bonvinitas-Weinbewertung vom 4.5.2015 spürten wir zwei Trends nach: Erstens geht die Zeit der dicken „Sesseldrücker“ Rotweine mit 14 % und mehr ein wenig vorbei. Man spürt den Hang zu leichteren Weinen. Zweitens liegt Weißburgunder im Trend. Dicke Überraschungen gab es in der leichten Kategorie 1 (grüne Punkte), Weine bis 12 % Alkohol. Hier die interessantesten Tropfen:
Die große Überraschung waren 91 Punkte für einen Wein dieser Kategorie. Das hatten wir noch nie. Den Wein, den die Prüfer so hoch bewerteten, war ein 2014 Weißburgunder trocken vom Weingut Christian Reiterer in Wies in der Weststeiermark, Qualitätsstufe „Wein aus Österreich“ mit sogar „nur“ 11,5%. „Sehr typischer und sauberer Duft nach frischen Äpfeln, Zitronensaft, Honig; brillanter, eleganter Körper, der in ein frisches, gehaltvolles Finish mündet mit quirligem Temperament. Der Tropfen zeigt, dass es nicht den überbordenden Alkohol braucht, um zu schmecken. Ein Wein, der einfach Spaß macht! Passt gut zur Meeresfrüchten, Räucherfisch, Schweineschnitzel oder Gänsebraten“, lauten meine Notizen der Nachprobe. Denn bei der offiziellen Blindbewertung punktet von bonvinitas niemand mit, auch ich nicht. Die Bewertung ist absolut neutral. Die gut bewerteten probiere ich dann nach, um darüber zu berichten. Wobei dieser Tropfen eher etwas für eingefleischte Weintrinker ist, denn die Säure zeigt sich schon recht präsent, aber zum Essen großartig.
Das Weingut wird von Christian Reiterer betrieben. Die Reben wachsen auf den Ausläufern der Koraple, die sich bis über 2.000 m erhebt. Reiterer engagiert sich insbesondere für die Rebsorte „blauer Wildbacher“, eine autochthone Rebe, die nur hier wächst und deren Roséweine unter „Schilcher“ vermarktet werden. Die Bezeichnung ist ausschließlich für diese geschützt. Reiterer hat schon öfter sehr erfolgreich bei bonvinitas abgeschnitten. Typisch für ihn sind absolut saubere Tropfen mit präsenter quirlig frischer Weinsäure, eher für den Weintrinker und sehr schön zum Essen.
86 Punkte in dieser Kategorie erzielte der 2014 Iphöfer Kronsberg Weißburgunder Kabinett trocken vom Weingut und Gästehaus Lutz in Iphofen in Franken. „Auskleidend füllier Tropfen ohne viel Alkohol: Eleganter Duft mit Anklängen an Mandeln, Krokant, Blütenhonig; am Gaumen kraftvoll auskleidend und füllig mit weichen Finish, dass auf gut gereiftes Lesegut schließen lässt. Ein schöner Vertreter der (grünen) Kategorie 1 - bis 12 % Alkohol, der zeigt, dass ein guter Tropfen nicht unbedingt viel Alkohol braucht, wenn der Winzer schon im Weinberg alles gut gemacht hat. Passt gut zu geräucherter Forelle oder Lachs mit Sahnemeerrettich, Cremesuppen, Schnitzel oder Kalbsbraten in Rahmsauce“, habe ich dazu notiert.
Lutz im fränkischen Iphofen ist noch ein kleines Weingut. Doch Wilhelm Lutz gibt sich sehr ehrgeizig, was die Auszeichnungen bestätigen. „Wir sind ein naturnah orientierter Betrieb mit zwei Hektar Anbaufläche und noch alles in Handarbeit.“ Tochter Christina „regiert“ 2015/2016 als Iphöfer Weinprinzessin. Im Anbau befinden sich Silvaner, Scheurebe, Müller-Thurgau, Bacchus, Weißburgunder und Dornfelder.
Die weitere große Überraschung dieser Bewertung war der 2014 Gutedel trocken mit 11,5 % vom Winzerkeller Auggener Schäf im Südbadischen Auggen. Es war schlicht der Referenzwein, den wir immer zu Beginn einer Verkostung zur gleichmäßigen Abstimmung der Prüfer außer Konkurrenz - natürlich ebenfalls verdeckt - bewerten lassen. Es muss immer ein junger, leichter Wein sein, da die kräftigeren und gereifteren ja hintennach kommen. So war es kein Wein, der zur Prüfung eingereicht worden war, sondern wir haben ihn in der Literflasche für 3,79 € im hiesigen Verbrauchermarkt mit großer Weinabteilung erstanden. Die Überraschung waren die 84 Punkte in der grünen Kategorie, und so sage keiner, dass Gutedel nicht ausgezeichnete Weine sein können: „Frischer Duft nach Äpfeln, Zitronensaft, Buttergebäck; weich und schmiegsam auf der Zunge mit süffig-trockenem Finish - ein unkompliziert eingehender, süffiger Gutedel, wie er sein muss und Spass macht. Passt gut zum Vesper mit Leberwurst und Speck, zur Bratwurst, gebackenem Leberkäse, als süffiger Terrassenwein oder zur sommerlichen Grillparty“, habe ich bei der Nachprobe notiert.
Der Winzerkeller Auggener Schäf liegt in Deutschlands Südwestecke unweit der Schweiz und Frankreich. Traditionell ist Gutedel hier die wichtigste Sorte. Viele Auggener Gutedel wurden von bonvinitas schon gut bewertet und finden sich in unserem WINE GUIDE. Zusammen mit großen Flächen im nahen Sulzburg-Laufen werden über 500 Hektar bewirtschaftet. Schon lange hat man sich dem naturnahen Weinbau verschrieben und auch auf die neue, pilzresistentere Rotweinsorte Regent gesetzt, die im Vergleich merklich weniger Schädlingsbekämpfung benötigt.
Alle Weine dieser Probe finden sich in unserem WINE GUIDE. Die Berichte über die Besten der anderen Kategorien finden sich an anderer Stelle. Der Probe hatten wir bewusst den Schwerpunkt Weißburgunder gegeben, weil man ihn schlicht als Trendsorte bezeichnen kann. Auf Grund neuer Statistiken ist Deutschland mit Weißburgunder weltweit führend. Die Fläche hat seit 2000 um 85 % auf fast 4.800 Hektar zugenommen – nicht weit von Grauburgunder. Weißburgunder ist eine sehr wüchsige Rebe, man muss ihn stark reduzieren, um gute Qualitäten zu erhalten. Inzwischen gibt es viele exzellente, sehr elegant Weine, die durch ihre dezentere Säure und eine interessante Ergänzung zum beliebten Riesling bilden.
Text: Chefredakteur Dieter Simon; Aufmacherfoto: bonvinitas