Zählen zu den besten der Welt: Deutsche Weißweine
Profilieren sich durch fruchtig beschwingte Art
https://bonvinitas.com/media/reviews/photos/thumbnail/780x560c/b6/da/e8/_typischdeutschriesling_1316600659.jpgDeutsche Weißweine, im gemäßigten Klima gewachsen, profilieren sich entgegen südländischen Tropfen durch ihre fruchtig beschwingte elegante Art, insbesondere Riesling.
Vor 100 Jahren waren sie die teuersten der Welt, deutsche Weißweine, vor allem Rieslinge mit leichter Restsüße bis hin zu edelsüß, vorwiegend aus dem Rheingau. Irgendwann kamen sie aus der Mode. Dann begann der Run auf Rotwein. Inzwischen sind es die Chinesen, die für Bordeaux-Spitzengewächse praktisch jeden Preis zahlen. Lassen wir sie doch. Denn der wahre Genießer lässt sich nichts von der Mode diktieren, allenfalls anregen. Oft werde ich nach meinem Lieblingswein gefragt. Wenn ich dann sage: „Lieblingswein? Nein, es kommt darauf an wozu“, ernte ich meist erstaunte Gesichter. Was könnte schöner zu poschiertem Fisch passen als ein leichter, trockener Riesling, zu hellem Fleisch oder Steinpilzen ein Grau- oder Weißburgunder? Diese dürfen dann etwas kräftiger sein. Dass zu Käse generell Rotwein gehört, ist ein nicht ausrottbares Ammenmärchen. Denn sehr oft passen die Gerbstoffe des Rotweins eben nicht. Zu altem Hart- oder Blauschimmelkäse passt wunderbar ein gereifter Weißwein durchaus mit Restsüße, bis hin zu edelsüß.
Wo wachsen diese Weine?
In südlichen Gefilden geraten die Weißweine häufig zu schwer. Sie zeigen sich zwar stoffig, es fehlt aber meist die leichte, fruchtige Beschwingtheit, die man zu manchen Anlässen sucht. Diese fruchtige Beschwingtheit ist es, die deutsche Weißweine kennzeichnet. Ausnahmen seien nicht bestritten. Das liegt am kühleren deutschen Klima und, entgegen vielen anderen Beschwörungen, auch an den ausreichenden Niederschlägen. Die ganz spezielle deutsche Rebsorte ist Riesling, die mit ca. 22 % der Rebfläche fast ein Viertel einnimmt und dies deutlich zulegend. Riesling hat eine Eigenschaft, die von keiner anderen Rebsorte auch nur annähernd erreicht wird: er schmeckt auch hervorragend bei Leichtigkeit. Schon ab 10 % Alkohol kann es ein ausgezeichneter Tropfen sein, fruchtig, stahlig, elegant, mit schönen Terroirsnoten, kurz mit allem Drum und Dran. Hingegen kann man einen Rotwein oder südlichen Weißwein auch mit 11 % kaum „zum Zähneputzen“ nehmen. Zurück zum Klima: Riesling ist eine spätreifende Sorte, daher benötigt er gute Lagen, nicht zuerst für die Sommershitze, sondern vor allem für die lange Reifezeit im Herbst. Denn die Grundlagen für die feinen Aromen werden erst in dieser Reifephase gelegt. Im Sommer braucht die Rebe nicht nur Hitze, sondern eben auch genügend Niederschläge, um ihre Fruchtigkeit zu entwickeln, ohne dass später der Alkohol zu stark im Vordergrund steht.
Wer würde in heißen Ländern immer nur schwere Rotweine genießen wollen?
Vielleicht haben dort gerade leichtere Weißweine eine Chance und harren der Entdeckung. So kann man sagen, dass deutsche Weißweine dieser Art, vor allem Riesling, zu den besten der Welt zählen. Natürlich wächst Riesling auch anderswo, in Frankreich, dort vor allem im Elsass, in Österreich, inzwischen auch in Australien, Neuseeland und in den USA. Mit über 22.000 Hektar beträgt die deutsche Rieslingefläche aber immer noch mehr als alle anderen zusammen.
Vielleicht noch ein Blick auf das Reifungspotenzial: Wenn deutsche Weißweine exportiert werden, riskieren sie unter Umständen eine längere Lagerung. Dann sollten nicht zu trocken sein. Es ist über die Reifung von Weißwein zwar viel weniger bekannt als bei Rotwein, man weiß aber, dass der Zucker allmählich vorhandene Aromen karamellisiert. So kommt es, dass gereiftere Rieslinge schöne Noten von Blütenhonig und eine hohe Komplexität entwickeln und bei entsprechend mitgebrachter Dichte und Extrakten – keine zu einfachen und zu „knochentrockenen“ Weine – durchaus ein Reifungspotenzial von fünf bis sieben Jahren aufweisen, von edelsüßen ganz zu schweigen.
Einer Sorte sei noch das Wort geredet: Weißburgunder
Er steht in Deutschland nach Müller-Thurgau und Grauburgunder an vierter Stelle mit merklich wachsender Beliebtheit. Wenn es so weitergeht, dürfte er den Grauburgunder überholen. Weine aus deutlich reduzierten Erträgen dieser sonst reichtragenden Sorte von älteren Reben auf tiefgründigen Böden, und wenn der Winzer womöglich noch eine Spontangärung gewagt hatte, können großartige, vielschichtige Tropfen sein mit ebenfalls hohem Reifungspotenzial. Sehr schön zu gebratenem Fisch, Kalbsteaks oder altem Hartkäse!
Fotos:
- Dr. Dieter Simon