Der Deutsche Weinbauverband zur neuen Ausrichtung der EU-Agrarpolitik mehr Ökologie

Interview mit dem Präsidenten des Deutschen Weinbauverbands Klaus Schneider

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Am 20.10.2020 hat der EU-Agrarrat der 27 Mitgliedstaaten unter Leitung der deutschen Ratspräsidentschaft, Bundesministerin Julia Klöckner, sich auf einen Systemwechsel in der europäischen Agrarpolitik einstimmig geeinigt. Ergebnis ist eine „Allgemeine Ausrichtung“ auf mehr Umweltschutz in der Landwirtschaft. „Keine Leistung – insbesondere die flächenbezogenen Direktzahlungen – ohne ökologische Gegenleistung“ lautet der Grundsatz.
 

bonvinitas: Sehr geehrter Herr Präsident Schneider, inwieweit sehen Sie die Weinwirtschaft, insbesondere die deutsche, davon betroffen?

Präs. Klaus Schneider: Natürlich wird ein Systemwechsel in der europäischen Agrarpolitik auch Auswirkungen für den Weinbau haben. Wie diese im Einzelnen aussehen, können wir zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht genau abschätzen. Zum einen müssen wir hier abwarten, auf welche Regelungen sich EU-Parlament und der Rat tatsächlich in den Trilogverhandlungen verständigen. Zum anderen sieht das "neue delivery model" vor, dass die Mitgliedstaaten selbständig die besten Instrumente und Maßnahmen wählen, wobei sie die nationalen Besonderheiten berücksichtigt sollten. Hier muss jeder Mitgliedstaat dann selbst liefern.

Zudem wird unser nationales Stützungsprogramm für Wein künftig Teil eines horizontalen nationalen Strategieplanes. Bei solchen gesetzlichen Umgestaltungen hat die Vergangenheit gezeigt, dass wir aufpassen müssen. Gut funktionierende Bestandteile unseres Stützungsprogramms sollten in jedem Fall nicht durch die Umstellung verloren gehen.       

bonvinitas: Im Einzelnen wurde mit dem Ziel des „guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands von Flächen“ – GLÖZ 9 - beschlossen, dass drei Prozent der Ackerfläche ausschließlich für nichtproduktive Flächen vorgesehen werden müssen (Stilllegung) und mindestens fünf Prozent für nichtproduktive Flächen, auf denen aber Zwischenfrüchte angebaut werden können. Weiter wurde beschlossen, dass die Mitgliedstaaten für Ökoregelungen ein verpflichtendes Mindestbudget von 20% der Direktzahlungen zur Verfügung stellen müssen. Für Deutschland bedeutet dies knapp eine Milliarde Euro pro Jahr.

Welche Maßnahmen bieten sich aus Sicht der Weinwirtschaft an, die gefördert werden könnten?

Präs. Klaus Schneider: Für Wein als Dauerkultur sind diese unter GLÖZ 9 benannten Maßnahmen wie z.B. der Anbau von Zwischenfrüchten nicht machbar. In der Vergangenheit war es ja so, dass die Weinbaubetriebe eine Basisprämie beantragen konnten. Als reine Dauerkultur waren wir aber vom „Greening“ ausgenommen. Wir können hier derzeit keine abschließende Beurteilung abgeben. Die parallel zur GAP-Reform laufenden EU-Initiativen - die Farm-to-fork-Strategie und die Biodiversitäts-Strategie, die nicht in die Neuausrichtung der GAP integriert sind, erleichtern der Branche aktuell nicht den Überblick, was hier auf sie zukommt.  Es ist derzeit insgesamt nicht möglich, eine Aussage zu treffen, welche Vorgaben in Zukunft verbindlich sind und welche als freiwillige Leistungen künftig noch förderfähig sind. 

bonvinitas: Diese „Allgemeine Ausrichtung“ bezieht sich wohl mehr auf die Landwirtschaft allgemein und auf die vielfachen Förderungen und Hilfen, die nun mehr an Umweltstandards geknüpft werden. Die Weinwirtschaft ist ja ein weniger reglementierter und bezuschusster Markt, doch wird sie sich dem zunehmenden Umweltbewusstsein, dem die „Allgemeine Ausrichtung“ ja auch folgt, nicht entziehen können. Eines der großen Probleme ist ja die mangelnde Resistenz der Europäerreben gegen den falschen Mehltau. Es ist zu erwarten, dass es zunehmende Beschränkungen von Herbizid-Anwendungen geben wird. Auch Kupfer ist auf die Dauer wohl keine Lösung?! Ein Ausweg bieten PIWI-Sorten, von denen es ja sehr viele gibt, die resistent(er) sind insbesondere gegen den falschen Mehltau.

Was halten Sie von PIWI-Sorten?

Präs. Klaus Schneider: Das sind natürlich Entwicklungen, mit denen sich der Deutsche Weinbauverband seit Jahren intensiv beschäftigt. Lassen Sie mich vorab einige allgemeine Worte zum Thema Nachhaltigkeit sagen. Im Rahmen der Nachhaltigkeitsdebatte diskutiert die Gesellschaft u.a. über Herbizid- oder auch über Pflanzenschutzmitteleinsatz. Diese Diskussionen haben in den letzten Jahren eine neue Dynamik aufgenommen. Die Landwirtschaft wird hier leider oft allein an den Pranger gestellt. Es ist keine Frage, dass sich auch unsere Branche den gesellschaftlichen Erwartungen stellen muss. Unstreitig ist wohl, dass zum Erhalt der Biodiversität Schritte erforderlich sind. Aber sie müssen verhältnismäßig sein, in die Praxis umsetzbar sein und auch Korridore für Anpassungen offenlassen. Zudem werden hier weitere Ursachen wie z.B. die Urbanisierung, die auch wesentlich zum drastischen Rückgang der Biodiversität beigetragen hat, viel zu wenig in die Überlegungen miteinbezogen. 

Viele Weinbaubetriebe praktizieren seit längerem bereits integrierten Pflanzenschutz. Auch im konventionellen Weinbau stellen wir eine Hinwendung zu ökologischen Verfahren fest. Insgesamt fahren wir im Weinbau eine Reduktionsstrategie. Die gilt auch beim Thema Herbizid. In Flachlagen wird mittlerweile vielfach auf mechanische Unterstockbearbeitung zurückgegriffen. In Steil- und Hanglagen ist aber eine mechanische Bodenbearbeitung aufgrund der Erosionsgefahr weiterhin problematisch.

Das von Ihnen angesprochene Thema Falscher Mehltau beschäftigt uns insbesondere aufgrund der Zunahme von Extremwetterereignissen weiterhin. Die einschlägigen Erfahrungen aus dem letzten „Peronospora-Jahr 2016“, in dem dieser Schadorganismus epidemisch grassierte, haben gezeigt, dass ohne ausreichende Alternativen zur Kontrolle des Falschen Mehltaus, die wirtschaftliche Existenz von Ökobetrieben gefährdet, Betriebe in der Umstellung ausbremst und ökointeressierte  Betriebe entmutigt werden. Die politische Ambition, den ökologischen Landbau in den nächsten Jahren sukzessive deutlich auszuweiten, wird nur funktionieren, wenn die phytosanitären Grundlagen dafür gegeben sind. Da auch der Einsatz von Kupfer kritisch gesehen wird und hier seit vielen Jahren intensiv an einer Minimierungsstrategie gearbeitet wird, ohne der Praxis bisher Alternativen zu Kupfer aufzeigen zu können, wäre eine Zulassung von Kaliumphosphonat im Ökoweinbau auf EU-Ebene umso wichtiger. Leider wurde der letzte Vorstoß auf eine Wiederzulassung auf EU-Ebene mehrheitlich abgelehnt. 

Die von Ihnen angesprochenen pilzwiderstandsfähigen Rebsorten sind natürlich ein Baustein insbesondere im ökologischen Weinbau. Wir unterstützen daher die Resitenz- und Klonenzüchtung, die diese sogenannten PIWIS züchtet. Diese werden jedoch auch nicht von allen in der Branche als die Alternative gesehen. Zu einem wird die Frage der Dauer der Resistenzfähigkeit gestellt. Viel entscheidender ist jedoch aktuell die Frage der Verbraucherakzeptanz. Als Nischenprodukt oder als Bestandteil von Cuvees werden die PIWIS anerkannt, jedoch werden sie die klassischen Rebsorten nur ergänzen, aber nicht ersetzen können. Positiv stimmt uns daher die Beobachtung, dass z.B. der Riesling und oder auch der Müller-Thurgau mit den Folgen des Klimawandels noch gut zurecht kommen.

bonvinitas: Sehr geehrter Herr Präs. Schneider, wir danken Ihnen für dieses Interview.

Das Interview führte Dieter Simon, Chefredakteur und Herausgeber bonvinitas. Foto: Deutscher Weinbauverband

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