Der Klingelberg, Wiege des Qualitätsweinbaus in Baden?
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Drei Fachvorträge sorgten anschließend dafür, das Weinwissen der Besucher zu mehren. So unternahm im ersten Vortrag Dr. Ulrich Sauter, Chefredakteur des Weinmagazins „Falstaff“, einen Ausflug in die Geschichte der Herkunftsbezeichnungen für Weine aus Frankreich und Deutschland anhand historischer Belege. Tiefe Einblicke in die Welt der Sensorik bot dann der sehr interessante Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Fischer vom Kompetenzzentrum Weinforschung mit dem Thema: “Sensorische Ausprägung des Riesling - Terroir“. Was ist Terroir, und ist dies im Wein schmeck- und erlebbar, erläutere er auf vielfältige Art und Weise auf der Grundlage diverser Forschungsergebnisse.
Dass man auch über den Tellerrand hinausschaut bewies die Einladung eines Gastwinzers aus dem Burgund. Patrick Finance stellte in kurzer, prägnanter Form das „Weinhaus Maison Louis Latour vor, dessen Produkte man später im Schlosshof neben den Klingelberger-Weinen verkosten konnte. Martin Darting beschäftigt sich seit längerem mit der Visualisierung von Wein und malte live ein „sensorisches Weinbild“.
Dann aber stand der Klingelberger Wein im Vordergrund. Die Mitgliedsbetriebe boten Weine des neuesten Jahrgangs und auch Weine älterer Jahrgänge an. Wie bei den letzten Symposien war man von den charaktervollen Weinen verschiedenster Ausprägung begeistert. Aber wie fing eigentlich alles an und was ist ein Klingelberger überhaupt? Der Name Klingelberger als Synonym für den Riesling aus der Ortenau ist sicherlich vielen Weintrinkern kaum bekannt. Dies zu ändern haben sich 11 Weingüter und Genossenschaften auf ihre Fahnen geschrieben, indem sie das Projekt „Klingelberger 1782“ aus der Taufe hoben. 2012 fand das erste Klingelberger-Symposium auf Schloss Staufenberg in Durbach statt, wo nach einer intensiven Podiumsdiskussion die Weinerzeuger dieses Zusammenschlusses ihre „Klingelberger“ Weine zum Verkosten anboten. 2013 lud man zum 2. Symposium ein. Wiederum war Prinz Bernhard von Baden als Schirmherr dieses Projekts Gastgeber. Wo sonst ließe sich der Kreis besser schließen als da, wo alles angefangen hat: in einem Weinberg nahe Schloss Staufenberg. Aber was ist es, was den Klingelberger so interessant, ja fast ist man gewillt zu sagen, besonders oder eigenwillig macht? Wo liegt der Ursprung? Wo und wann fing die Geschichte des Klingelbergers an? In diesem speziellen Falle ist es eine Verordnung des Großherzogs Carl Friedrich von Baden aus dem Jahr 1762, die da lautete, „dass die Anlegung neuer Weingärten nicht ohne amtliche Ratifikation geschehen darf und an Orten, wo kein guter Wein wächst, nicht gestattet wird.“ Das nenne ich eine konkrete Qualitätsaussage. Sie basierte allerdings auf der Überlegung, dass die Jahre davor Weine sehr niedriger Qualität produziert wurden und somit kaum trinkbar waren. Eng standen verschiedene Rebsorten (gemischter Satz) in einem Weinberg beieinander. Oft so dicht, dass kaum ein Sonnenstrahl die Traube erreichte.
Dies änderte sich erst in der zweiten Hälfte des 18.Jh. Im Staufenberger Amt machte vor allem der kaiserliche Gesandte Freiherr von Ried auf sich aufmerksam. Er führte den Weinbau in dieser Region zu neuer Qualität. Er legte wahre Musterschulen an und pflanzte als erster die Rebsorte Klingelberger (Riesling) an. Doch es sollten noch einmal 20 Jahre ins Land gehen bis zum eigentlichen Durchbruch des Klingelbergers und somit des Qualitätsweinbaus. In diesen Jahren sammelte man die Pflege der Rebe betreffend Erfahrung. Vor allem suchte man geeignete Plätze für deren Anbau.
1782 war es dann soweit. 2000 Riesling Setzlinge wurden in das „Gewann“ Klingelberg bei Schloss Staufenberg gesetzt. Die Pflanzen gediehen dort so prächtig, dass man schon nach wenigen Jahren Setzlinge abgeben konnte. Was aber mindestens genauso wichtig war die Tatsache, dass die sortenreinen Weine von solch ausgezeichneter Qualität waren, dass man in Durbach und in der gesamten Ortenau seither nur noch vom „Klingelberger“ sprach. Ein neuer Begriff, ein neuer Name als Synonym für Riesling war geboren. Mit ihm verband man gleichzeitig höchste Qualitätsansprüche. Das frühere Gewann „Klingelberg“, mit über 400 Metern über dem Meeresspiegel eine der höchst gelegenen deutschen Rieslinglagen, besteht aus Oberkircher Granit, mit Riegeln von Porphyr durchsetzt, und gehört heute zur Lage Durbacher Schlossberg. Seine südliche Exposition, seine extreme Hanglage, seine humusarmen, mineralischen Böden und deren geringes Wasserhaltevermögen bieten hervorragende Bedingungen zur Erzeugung hochwertiger Rieslinge. Kühle Nächte ermöglichen eine lange Reifezeit und sind förderlich für den Erhalt der für diese Sorte typischen Säurestruktur. Ein Terroir so schien es, wie gemacht für den Klingelberger. Doch was passierte nicht alles in den kommenden 230 Jahren. Der Klingelberger und sein Ursprung gerieten fast in Vergessenheit. Erst mit dem Projekt „Klingelberger 1782“ wird diesem historischen Anspruch wieder Rechnung getragen. Dafür legen sich die 11 Weinerzeugungsbetriebe mächtig ins Zeug. Beim Ausbau der Weine will man weg von den Einheitsrieslingen, will hin zu authentischen, charaktervollen Weinen, die das widerspiegeln, worauf sie gewachsen sind. So wird in allen Mitgliedsbetrieben der Most mit einer speziellen, aus der alten Klingelbergerlage selektionierten, weltweit ersten biozertifizierten Weinhefe vergoren, um auf diese Weise die verloren gegangene Sortentypizität wieder zu erlangen. Der Klingelberger- Geist erwacht wieder zu neuem Leben. Es ist beachtlich welchen Qualitätsmaßstäben sich die Mitglieder unterordnen. Hier nur die wichtigsten:
Weinberg:
- Es gelten nur Lagen innerhalb der historischen Klingelberger-Gemeinden.
- Hangneigung mindestens 35% Lagen 300 Meter über NN.
- Exposition von SO bis SW
- Mineralische Granitverwitterungsböden
- Ertrag maximal 50 hl/ha
Rebe/ Pflanzgut/ Biodiversität:
- 100% Klingelberger
- Rekultivierung alter Reben
Lese:
- Selektive Handlese
- Mindestens 90° Öchsle
- Nur gesundes Lesegut
Keller:
- Keine Anreicherung, keine Konzentrationsverfahren
- Klingelbergerhefe ( siehe oben) oder Spontangärung
Sensorische Prüfung:
-
Zustimmung der Kommissionen einer Blindverkostung
Kontrolliert wird das Ganze durch den Förderverein „Klingelberger 1782 e.V.
Erst wenn all diese Kriterien erfüllt sind darf der Wein das Siegel „Klingelberger 1782“tragen.
Der „Klingelberg 1782“ ist mehr als nur ein Name, er ist Verpflichtung einem historischen Erbe gegenüber. Es ist das Anliegen eines jeden mitwirkenden Betriebes, die Ursprünglichkeit und die Einzigartigkeit der Herkunft dieses Weines deutlich zu machen. Der alte Klingelberger war ist und bleibt eine regionale Besonderheit, die mit diesem Projekt erhalten werden soll und nur auf die Gemeinden Durbach, Fessenbach, Oberkirch, Zell-Weierbach, Offenburg und Ortenberg beschränkt ist, da dort nahezu identische Bodenverhältnisse vorzufinden sind, die wichtig für die Charakteristik und Ausprägung des Klingelbergs 1782 sind.
Ein ehrgeiziges Projekt wurde ins Leben gerufen. Weine mit einer eigenen Sprache und einer unverwechselbaren Charakteristik sind das Ergebnis. Es sei allen teilnehmenden Betrieben zu wünschen, dass man das Klingeln dieses alten Berges weit über die Region hinaus hört und versteht. Winzer und Wein haben es verdient.
Mitgliedsbetriebe.
Markgraf von Baden
Weingut Andreas Laible
Weingut Schwörer
Weingut Andreas Männle
Weingut Heinrich Männle
Weingut Schloss Ortenberg
Oberkircher Winzergenossenschaft
Durbacher Winzergenossenschaft
Weingut Vollmer
Weingut Wolff-Metternich
Zeller Abtsberg WinzergenossenschaftDas alle Weine auf qualitativ höchstem Niveau stehen ist keine Frage, und es wäre es sicherlich wert, jeden einzeln vorzustellen, Nur auszugsweise sollen hier drei Weine als Beispiel dafür stehen, was es heißt Terroir schmeckbar zu machen.
WG Durbach: 2014er Durbacher Plauelrain, Klingelberger Spätlese trocken
Ein Duft, wie eine vom Morgentau benetzte Wiese; hell. frisch, leicht und lebendig nach grünem Apfel, Melone frisch gemähtem Gras und einer feinen Mineralik. Im Geschmack Riesling pur. Nichts Aufgesetztes. Eine straff gewebte Säurestruktur und durchgängige Mineralität stehen deutlich im Vordergrund. Die Fruchtsäure ist wunderbar integriert und verleiht dem Wein Substanz und Rückgrat. Seine animierende Art provoziert nicht, sondern fordert auf und macht Lust auf mehr. Mit seiner Unaufgeregtheit und seinem unkomplizierten Auftreten will dieser Wein nur eines: Spaß machen beim Trinken. Und das tut er.
Weingut Andreas Laible: 2014er Durbacher Plauelrain Klingelberger trocken Erste Lage
Schon im Duft ist es so, als ob uns der Wein die Tür aufmacht, und uns herzlich willkommen heißt mit seinen wunderschönem mineralisch, leicht salzigen erfrischenden Aromen, die, gepaart mit Noten nach Nuss, Mandel, Quitte, hellem, knackigen Pfirsich und einem Hauch Liebstöckel, neugierig machen auf den Geschmack.
Wir erleben ein harmonisch-rundes Gesamtbild, Riesling mit Tiefgang. Wieder stehen die hellen, mineralischen Komponenten, wie Feuerstein, Grapefruit sowie eine leichte Schärfe und dezent nussige Töne im Vordergrund. Wunderschön ausbalanciert sind Süße und Säure. Jugendliche Eleganz, Geschmeidigkeit und Harmonie sorgen für ein sattes Mundgefühl. Langsam baut der Wein Spannung auf, hält diese bis zum Schluss und verabschiedet sich mit einem langen Nachhall.
Weingut Graf Wolff Metternich: 2014er Durbacher Schlossberg Klingelberger Spätlese trocken
Der Wein spielt mit uns wie eine junge, freche Katze. Quirlig und voller Temperament, aber auch unberechenbar. Im Geruch kitzeln frische, hellgrüne Fruchtnuancen von Limette und Mirabelle die Nase, gefolgt von grünem Apfel und würzigen Kräuternote nach Minze und Estragon. Unbefangen, etwas eigenwillig und voller Esprit tritt er auf. Den Blick immer nach vorne gerichtet. Silberhell, wie ein Gebirgsquell, immer im Fluss. Voller Esprit und verrückter Einfälle ist er. Ein Wein mit überwiegend hellen Tönen nach Limette, frischer Melone, feiner Mineralik, Muskat und weißem Pfeffer. Man glaubt, bei jedem Schluck Neues zu entdecken. Erst nach dem zweiten, dritten Schluck merkt man, dass er auch noch zartschmelzige, ruhige Momente hat, kleine, versteckte Nischen zum Ausruhen um dann gleich wieder in die Vollen zu gehen
Fotos: Horst Kröber, sofern nicht anders angegeben.