Interview mit Alois Lageder, Starwinzer aus Südtirol

biodynamisch – Weißweine wie Gletscherwasser

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Von  3512
Alois Lageder gilt als einer der Starwinzer Südtirols. bonvinitas führte mit ihm ein Interview. Der erste Teil erfolgte auf der „véritable“ 2017 in St.Martin, die organisiert von Uwe Warnecke als schönste Weinfachmesse Deutschlands gilt, und zu der Warnecke Lageder eingeladen hatte. Der zweite Teil erfolgte telefonisch:
 
Lageder Weinbergslagen
Die Lage Römigberg
bonvinitas: Herr Lageder, wie lautet Ihre Philosophie?
 
Alois Lageder: Wir setzen auf den biologisch-dynamischen Landbau. Damit können wir viel Erfahrung und große Erfolge vorweisen. Unser oberstes Ziel ist eine ständige Qualitätssteigerung. Zugleich halten wir die Augen offen für nötige Veränderungen, denn insbesondere durch die Klimaerwärmung ist Vieles in Fluss geraten, worauf wir reagieren müssen.
 
bonvinitas: Sie setzen auf Biodynamik. Doch es gibt leider die beiden Pilze Oidium und Peronospora, die viel Schaden anrichten, und gegen die unsere europäischen Reben nicht resistent sind. Was machen Sie insbesondere in feuchtwarmen Jahren?
 
Alois Lageder: Die Pilze üben in der Natur eine sehr wichtige Funktion aus, denn sie zersetzen organisches Material. Doch sie gehören in den Boden und bleiben auch dort, wenn wir an der Rebe keine Angriffsfläche bieten. Damit sie keinen Schaden anrichten, bauen wir die Gesundheit der Pflanze auf, mit dem Ziel, gegen Pilzbefall resistent zu werden. Meist werden nur schwache Pflanzen von Pilzen angegriffen. Auch die bekannte Reblausmisere wirkte sich so fatal aus infolge der Schwächung der Reben. Gesunde Pflanzen, das ist Hauptziel der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Unserer Philosophie entsprechend arbeiten wir daran, den Nährstoffkreislauf und die Biodiversität mit einer Vielfalt an Pflanzen und Tieren aufzubauen, weg von den Monokulturen und weg vom extremen Profitdenken. In der vom Mensch unberührten Natur besteht Gleichgewicht, Harmonie und Artenvielfalt, die durch den Nährstoffkreislauf Pflanze-Boden-Humus gegeben sind: das beste Beispiel, an dem wir uns orientieren sollten. Unsere Mittel gegen Pilzkrankheiten sind auf Kupfer, Schwefel und homöopathische Tees begrenzt.
 
bonvinitas: Würden Sie etwas zu Ihrem Werdegang sagen?
 
Alois Lageder: Mein Vater starb früh, im Jahr 1963. Wir waren sechs Kinder, ich der jüngste und 12 Jahre alt. Als einziger Sohn stand damals, in einem sehr konservativen Umfeld, fest, dass ich das Erbe fortführen sollte. Im Lauf der Jahre habe ich mich dann reingearbeitet, dem Wunsch meines verstorbenen Vaters entsprechend eine humanistischen Ausbildung genossen und Wirtschaft in Turin studiert. Zu den Menschen, die mich stark geprägt haben, gehört insbesondere meine Mutter, die mir durch ihre Naturverbundenheit die Augen für die Natur geöffnet hat. Sehr prägend war 1981 der Besuch von Robert Mondavi aus Kalifornien im meinem Weingut. Zuvor lag mein Fokus noch stark auf dem Festhalten an der Tradition, er hat mich aufgerüttelt, alles zu hinterfragen und alles zu probieren, und mich mit dem Erreichten nie zufrieden zu geben, man kann es immer noch besser machen. Durch die Versuche habe ich zum Beispiel wieder erfahren, wie wichtig es ist, den Wein länger auf der Hefe zu belassen. Wir haben gelernt, insbesondere die Erträge zu reduzieren und haben begonnen, eine Qualitätsstrategie zu entwickeln. Mit moderner Kellertechnik, die gegen die Natur arbeitet, kann ich mich bis heute nicht identifizieren und verwende sie nicht. 
 
Blick in einen der Weinkeller.
Blickwinkel im Weingut.
bonvinitas: Was sind Ihre Hauptsorten und typischen Weine?
 
Alois Lageder: Wir haben uns seit den frühen siebziger Jahren auf Weißweine konzentriert, wie Chardonnay, Grauburgunder, Gewürztraminer und andere. Im Kontext der italienischen Anbaugebiete haben wir durch beste Anbaubedingungen für weiße Rebsorten einen Trumpf in der Hand. Bei den roten Sorten werden neben Lagrein und Vernatsch ebenso seit über 150 Jahren Cabernet, Blauburgunder und Merlot angebaut. Unsere Vorfahren beschäftigten sich infolge der vielfältigen Anbaubedingungen in Südtirol seit 180 Jahren mit den vorher genannten internationalen Rebsorten. Auch heute, insbesondere wegen der Klimaerwärmung, sind wir wieder gefordert, neue Wege zu gehen und neue Sorten zu versuchen, um auch in Zukunft Weine zu erzeugen, die nicht zu alkoholreich sind und dem einzigartigen Stil der Südtiroler Weine entsprechen. So haben wir mit neuen Sorten aus heißen Weinbaugebieten schon viele phantastische Erfahrungen gemacht, die in unserer, im Vergleich kühleren Region, nicht zu kräftig werden. Wir suchen insbesondere nach Sorten mit lockeren Trauben, kleinen Beeren und dicken Schalen, die gut winddurchlässig, nach Regen schneller trocknen und daher weniger pilzanfällig sind.
 
bonvinitas: Würden Sie etwas zu Ihren Terroirs sagen?
 
Alois Lageder: Bei uns im Süden Südtirols herrscht Dolomiten-Kalk vor, steinig und gut strukturiert, der sich für den Weinanbau super eignet. Talaufwärts bei Bozen findet man Porphyr, ebenfalls ein sehr guter Boden, genauso wie die lockeren Gletschermoränenböden, die im Überetsch und weiter hinauf Richtung Meran zu finden sind. In den nicht zu dichten Böden können die Reben tief wurzeln und bringen mineralreiche Weine mit schönen Terroirnoten. Mit Weinbau zwischen 220 und 1000 Meter Meereshöhe, auf denen die Reben an den Talhängen wachsen, und den unterschiedlichen Böden, haben wir in Südtirol eine große Spielwiese, was bereits Erzherzog Johann von Österreich, Bruder des Kaisers Franz I, erkannte, der Fachwissen in Landwirtschaft und eine große Liebe zu Tirol mitbrachte. Bereits 1835 empfahl er, für jede Lage die geeignetste Rebsorte zu erproben und nicht nur autochthone, sondern auch Rebsorten anderer Anbaugebiete zu versuchen, um die Qualität der Weine und damit die Wirtschaftlichkeit der landwirtschaftlichen Betriebe zu steigern. Er hat somit Rebsorten, wie Riesling und Blauburgunder, in Südtirol eingeführt.
 
bonvinitas: Wie alt sind Ihre Reben? Bekanntlich bringen ja ältere Reben bessere Weine, weil sie tiefer wurzeln und die Weine mineralreicher werden.
 
Alois Lageder: Wir schätzen uns sehr glücklich, da wir in der Lage Löwengang noch Reben besitzen, die zwischen 1875 und 1885 gepflanzt wurden – natürlich im gemischten Satz, das heißt mehrere Sorten zusammen in einem Weinberg. Dort können wir aus einer über 100-jähriger Erfahrung schöpfen. Die Versuche mit Reben aus heißen Gebieten haben wir vor 30 Jahren begonnen, so dass wir auch bei diesen bereits auf ältere Rebstöcke setzen können. Neben unseren eigenen Weinbergen arbeiten wir mit Bauern zusammen. In einigen dieser Weinberge findet man noch alte Rebsorten und seltene Selektionen, die sonst weitgehend verschwunden sind. Wenn Bauern auf Grund wirtschaftlicher Überlegungen diese Anlagen roden und neu anpflanzen wollen, sind wir bereit, diese Weinberge zu pachten, um die alten Rebbestände zu erhalten.
 
bonvinitas: Sagen Sie etwas zu Ihrem Weinausbau und Ihren Qualitätsgeheimnissen?
 
Alois Lageder: In den letzten fünf Jahren haben wir in der Produktion ein junges, bestens ausgebildetes und hoch motiviertes Team aufgebaut. Unser Hauptverantwortlicher, Georg Meißner, ein sehr erfahrener und europaweit bekannter Biodynamiker, arbeitet eng mit wissenschaftlichen Institutionen, wie die Universität Geisenheim, zusammen. Die Klimaveränderungen fordern uns heraus, über neue Wege der Weinbereitung nachzudenken und neue Wege zu gehen. Zum Beispiel arbeiten wir in der Weinbereitung mit Komponenten: Weine, die zu früheren und späteren Zeitpunkten gelesen, die unterschiedlich gekeltert und ausgebaut wurden und somit verschiedenste Profile aufweisen, werden letztendlich komponiert und zu Cuvées zusammengefügt, um beste Weine ins Glas zu bringen. Wir verfolgen das Ziel, frische, knackige Weine mit großer Präzision zu erzeugen, die die Lebendigkeit von Gletscherwasser in sich tragen. Wir arbeiten auch mit Ganztraubenvergärung, die wir versuchsweise auch ein Jahr lang auf den Beeren belassen. Solche Weine erachten wir als hochinteressant, steuern sie doch - auch in kleinsten Mengen verwendet – geschmackliche Noten bei. 
 
bonvinitas: Wie groß ist Ihr Weingut?
 
Alois Lageder: Wir bewirtschaften 50 Hektar eigene Reben. Wie erwähnt arbeiten wir darüber hinaus mit vielen weiteren Winzern eng zusammen, die wir informieren, beraten und begleiten. Alle unsere eigenen Flächen sind seit Jahren auf biologisch-dynamisch umgestellt und von Demeter anerkannt, bei unseren Partner-Winzern sind bereits über 40% der Weinberge umgestellt und in Umstellung, mit steigender Tendenz.
 
bonvinitas: Was sind Ihre Hauptkunden?
 
Alois Lageder: Ein Drittel unserer Weine verkaufen wir in Italien. Der andere Teil geht in den Export in insgesamt 50 Länder. Im Vordergrund stehen Deutschland, die USA, die Schweiz sowie die Benelux-Staaten.
 
bonvinitas: Darf ich nach Ihren Lieblingsweinen fragen?
 
Alois Lageder: Wein ist für mich rot. Bei Rotweinen liebe ich Pinot Noir. Da ist Burgund unübertroffen. Das ist gereifte Eleganz. Doch auch in unseren eigenen Burgundern steckt ein großartiges Potential. An weißen liebe ich vor allem Chardonnay.
 
bonvinitas: Ein Schlusswort?
 
Alois Lageder: Als Winzer werden wir weiterhin erfolgreich arbeiten, wenn wir über den eigenen Tellerrand hinausschauen und bereit sind, die Veränderungen um uns herum zu erkennen und Wege zu finden, damit umzugehen. Als mein Sohn Alois Clemens vor zwei Jahren in das Weingut eingetreten ist, haben wir uns einen hohes Ziel gesetzt: mit unserem Team nicht nur eine „normale“ Qualitätssteigerung anzustreben, sondern einen Qualitätssprung zu schaffen.
 
bonvinitas: Herr Lageder, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
 
Das Interview führte Dieter Simon, Herausgeber und Chefredakteur bonvinitas.
 
Fotos: Titel- und Kellerfoto John McDermott; übrige Bilder PR
 
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