Kampf dem Korkschmecker
Deutsche Weinproduzenten setzen immer mehr auf Schraubverschluss - zum Leidwesen der portugiesischen Korkindustrie
https://bonvinitas.com/media/reviews/photos/thumbnail/780x560c/a4/3a/27/kampf-dem-korkschmecker-25-1436964614.jpgPortugal ist der größte Korkproduzent der Welt: Mehr als die Hälfte der weltweiten Produktion stammt von hier. Die Lieferungen von Weinkorken nach Deutschland sind aber in den vergangenen 10 Jahren stark zurückgegangen. „Deutschland ist heute das einzige unter den Top 10-Abnehmerländern, in das mehr Kork als Baustoff denn als Weinverschluss geliefert wird“, berichtet João Rui Ferreira, Präsident des portugiesischen Korkverbandes Apcor. Das war freilich nicht immer so.
Dass Naturkorken als Weinverschluss in Deutschland ins Hintertreffen geraten ist, hat einen Grund: Immer häufiger traten Korkschmecker auf, vor allem bei Weinen, die nicht sehr jung getrunken wurden. Das liegt hauptsächlich daran, dass in Deutschland oft statt auf Naturkorken auf die günstigeren Presskorken gesetzt wird. Deshalb haben sich seitdem in Deutschland immer mehr alternative Weinverschlüsse durchgesetzt, allen voran der Schraubverschluss.
Der Bösewicht ist schwer zu fassen
Der Verursacher für den Weinfehler ist eine chemische Substanz namens TCA. Der muffig-schimmelig riechende Stoff entsteht im Naturkork, unter anderem als Reaktion auf Pflanzenschutzmittel. Das ist aber nicht der einzige Grund. Wie der Stoff sonst noch entsteht und wie er vermieden werden kann, ist nicht geklärt, und daher konnte auch ein EU-weites Verbot von Pflanzenschutzmitteln in Korkhainen nicht verhindern, dass sich auch weiterhin TCA im Kork bildet.
Damit hadert die portugiesische Korkwirtschaft. Sie arbeitet seit Jahren daran, TCA besser auszumerzen und so auch das Vertrauen der Kunden zurück zu gewinnen. Die Qualitätskontrollen der Korken-Hersteller, betont der Korkverband Apcor, seien seit dem Jahr 2000 massiv verstärkt und verbessert worden.
Presskorken sind nicht automatisch schlecht
Ein Besuch bei der Firma Amorim, dem größten Korkproduzenten der Welt, in Coruche im Alentejo. Produktionsleiter Delfim Valpaços empfängt die Besucher auf dem Hof, wo rund 15.000 Tonnen Kork lagern. „Die Korkrinden liegen zunächst mindestens sechs Monate zum Trocknen hier, bevor sie weiterverarbeitet werden“, berichtet er. Danach geht es für sie ins Wasserbad, in dem die Rinden bei 98 Grad eine Stunde lang abgekocht werden und noch einmal einen Tag in der Halle trocknen. Je nach Dicke werden sie sortiert und kommen dann zum Stanzen.
Rinden, die nicht dick genug sind, um ganze Korken daraus herzustellen, werden zu Korkscheiben gestanzt, die als Ober- und Unterseite für Verbundkorken dienen. Die Mitte der Presskorken besteht aus einem Granulat aus Stanzabfällen. Dieses wird mit Polyurethan verklebt, einem lebensmittelechten Klebstoff auf Wasserbasis.
Presskorken sind nicht automatisch schlechte Qualität, vor allem jene nicht, die mit Naturkorkscheiben abgedichtet sind. Champagner beispielsweise wird ausschließlich mit diesen Korken verschlossen. Der Unterschied liegt hier zwischen Verbundkorken und Agglomerat-Korken – letztere werden nicht mit Naturkorkscheiben abgeschlossen. Das wiederum führt häufiger zu Kork- und auch zu Leimschmeckern.
Bevor die Korken verkauft werden können, kommen bei Amorim Proben der Chargen ins hauseigene Labor. Dort werden sie in eine 12-prozentige Alkohollösung eingelegt – diese ahmen den Alkoholgehalt von Wein nach. Danach nehmen die Labormitarbeiter Geruchsproben – das sei bisher die zuverlässigste Art, TCA und andere unerwünschte Stoffe zu detektieren. „Chargen, die dabei durchfallen, gehen in die Produktion von Baustoffen“, erklärt Delfim Valpaços.
Je kleiner die Löcher, desto höher die Qualität
Annähernd dieselbe Prozedur wendet auch MaSilva an, ein anderer großer Hersteller in Mozelos in der Nähe von Porto. Wie zuvor bei Amorim fällt auch hier auf, dass sehr viele Arbeiter mit Stanz- und Sortieraufgaben betraut sind. „Noch sind die existierenden Maschinen einfach nicht so akkurat, wie es ein Mensch sein kann“, erklärt Verkaufsleiter Nuno Silva. Die Fabrik verlassen laut ihm pro Jahr rund 500 000 Millionen Korken, davon 70 Prozent Naturkorken und 30 Prozent Presskorken. Um die Qualitätskontrolle zu verbessern, habe man mit der Universität von Porto zusammengearbeitet.
Amorim unterhält eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung. „Eine Kontamination von TCA entsteht bereits im Wald, es können bestimmte Stellen ausgemacht werden, an denen es immer wieder auftritt“, erklärt Paolo Lopez, Önologe von Amorim. Die Abteilung beschäftigt sich aber nicht nur mit TCA, sondern auch mit Lufteinschlüssen im Korken. Die Faustregel: je mehr und je größere Löcher ein Korken hat, desto stärker ist eine Oxidierung des Weines möglich, die ebenfalls zu unerwünschten Fehltönen führt. Denn im Gegensatz zur allgemeinen Annahme sorgt ein Korken – wenn er korrekt festsitzt – nicht für einen Luftaustausch mit der Umwelt, sondern lässt lediglich den Sauerstoff an den Wein, den er selbst in seinen Löchern gespeichert hat. Daraus folgt: kleinere Löcher im Korken, höhere Qualität.
Speziell in Deutschland kommt noch ein anderes Problem zum Tragen: Auf kaum einem anderen Weinmarkt der Welt sind Verbraucher und daher auch Erzeuger so preisbewusst. Während in Frankreich und – mittlerweile sogar noch mehr – in den USA die höchsten und damit teuersten Naturkorken gefragt sind, tendieren die Deutschen eher zu günstigeren Korkqualitäten, wenn sie nicht gerade für herausragende Spitzenweine bestimmt sind. Trotzdem: auch die einfacheren Korken dürfen den Wein natürlich nicht belasten.
Umstellung zurück wird schwer
Auch wenn die Qualität der Korken gestiegen ist, werde es trotzdem eine schwere Aufgabe, die Deutschen wieder ins Boot zu holen, sagt Apcor-Präsident João Rui Ferreira. Das Problem sei die weite Verbreitung des Schraubverschlusses: „Diejenigen, die auf Kunststoff-Stopper umgestiegen sind, können wir wieder zurückholen. Aber für Schraubverschlüsse braucht man ja auch andere Flaschen. Und jemanden zu überzeugen, auch die Flaschen wieder umzustellen, wird schon schwieriger.“
Immerhin bei den Verbrauchern, meint er, habe der Korken doch nach wie vor ein gutes Image: „Fragt man Weintrinker, welchen Flaschenverschluss sie bevorzugen, sagen ja fast alle nach wie vor: Korken.“
Fotos: Alice Gundlach