Schützt moderater Weingenuss vor Demenz und Alzheimer?

Dr. med. Gerhard Kreuter, Internist, Chefarzt a.D.

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Von Dr. med. Gerhard Kreuter  12952

Vorneweg: Täglich moderate 200 bis 250 ml Wein für "sie" und 300 bis 375 ml für "ihn" sind grundsätzlich hilfreich - doch der Reihe nach ... (Anmerkung der Redaktion)

Die größten medizinischen, pflegerischen und gesundheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts stellen für unsere Gesellschaft aufgrund des demographischen Wandels die altersabhängigen Krankheiten dar. Dabei kommt der Krankheitsgruppe der Demenzen, insbesondere der Alzheimer Erkrankung eine besondere Bedeutung zu.

Alzheimer – diese Diagnose löst bei Betroffenen und Angehörigen gleichermaßen Erschrecken aus. Verständlich, denn die Krankheit berührt den Menschen im tiefsten Inneren seiner Persönlichkeit. Sie lässt die Vergangenheit verlöschen, zerstört die Orientierung in der Gegenwart und nimmt die Zukunft. Angst, Unwissenheit und Panik sind jedoch keine guten Ratgeber. Stattdessen sollte jeder, der mit diesem Problem zu tun hat, möglichst viel darüber wissen. Es gibt bis heute zwar keine Heilung, aber mit moderner Medizin, guter Pflege und liebevoller Betreuung lässt sich das Fortschreiten der Erkrankung deutlich aufhalten. Zudem ist, da es noch keine Heilung dieser Erkrankungen gibt, die Prävention – Vorsorge – von größter Bedeutung. 

Krankheitsbild: 

Was ist eine Demenz? Was ist Alzheimer?

Demenz (ohne Geist) ist der Sammelbegriff für:

  • ein Krankheitsbild, bei dem immer mehr Gehirnzellen zerstört werden und das unumkehrbar ist
  • das vorwiegend im höheren Alter auftritt
  • durch verschiedene organische Krankheiten verursacht ist und
  • verschiedene Symptome und Verläufe zeigt

In der Wissenschaft sind ca. 60 verschiedene Formen bekannt. Mit 70 % ist die Alzheimer Demenz die häufigste.

Die durch Erkrankung der Schlagadern entstehende vaskuläre Demenz ist die zweithäufigste Ursache, die übrigen Formen sind selten.

Erschreckend ist, dass heute bereits ca. 1,2 Millionen Menschen in Deutschland an Demenz erkrankt sind. Sollten keine Mittel zur Verhinderung oder  Behandlung der Demenzen, insbesondere von Alzheimer in den nächsten Jahren gefunden werden, ist zu erwarten, dass sich bis zum Jahre 2030  die Zahl der Demenzkranken verdoppeln wird.

Im folgenden wird in erster Linie auf die Alzheimer Krankheit eingegangen, die die Hauptursache der Demenz bei uns darstellt-ca. 70%.

Die Alzheimer Krankheit ist eine unheilbare Hirnerkrankung. Die Hirnzellen werden zunehmend geschädigt, sterben ab und werden nicht erneuert. In der Folge schwinden Hirnfunktionen, die für Denken, Gedächtnis, Sprachverständnis und Persönlichkeit verantwortlich sind.

Die Ursache der Alzheimer Krankheit ist noch unbekannt. 1906 hat der Arzt Alois Alzheimer erstmals über eine von ihm entdeckte „eigenartige Erkrankung“ der Hirnrinde berichtet. Durch intensive Forschungen wissen wir heute, dass sich bei dieser Erkrankung im Gehirn ein Eiweiß, das Beta-Amyloid in Form von Plaques an den Nervenfasern ablagert und diese zum Absterben bringt. In den Nervenzellen selbst bilden sich Fibrillenbündel, verdrehte Eiweißfasern aus Tau-Proteinen, die quasi die Zellen von innen „betonieren“. Diese Plaques und Fibrillen sind typische Zeichen der Alzheimer-Krankheit. Die abgestorbenen Nervenzellen und die unterbrochenen Nervenzellverbindungen sind Ursache der Erkrankung mit ihren schweren, ständig zunehmenden Ausfallerscheinungen. Der Verlust der Hirnsubstanz ist endgültig. 

Über die Ursachen von Alzheimer wird viel geforscht, endgültige Erklärungen fehlen jedoch. Krankhafte Gene spielen bei den Frühformen des Alzheimer unter 60 Jahren eine entscheidende Rolle, bei späterer Manifestation wird ihr Einfluss unterschiedlich gedeutet. Viren, Entzündungen, Durchblutungsstörungen und Erkrankungen des Immunsystems werden diskutiert.

Man geht bei Demenz und Alzheimer von einer Krankheitsdauer von ca. 7 bis 10 Jahren aus. Die Krankheit schreitet langsam und unaufhaltsam voran. Der Kranke vergisst zuerst die jüngsten Ereignisse, dann das vergangene Jahr, dann das vergangene Jahrzehnt. Er schreitet in seiner Erinnerung immer weiter zurück bis in  seine Kindheit, deshalb verhalten sich Demenz-Patienten oft wie Kinder.

Der Verlauf einer Demenz wird in drei Stadien eingeteilt:

1. Stadium

Anfangsstadium – leichte Demenz

Die Symptome sind hier noch leicht und oft kaum zu erkennen. Auffallend sind Konzentrationsstörungen, Gefühl der Überforderung und geistigen Erschöpfbarkeit.  Der Patient bemerkt diese Defizite, wird dadurch oft depressiv. Der Alltag gelingt noch leidlich.

2. Stadium:

Mittlere Demenz 

Die Krankheit wird offensichtlich, Erinnerung nur an lang Vergangenes. Datum, Uhrzeit und Umgebung werden nicht mehr erfasst, Worte vergessen, neue erfunden, Gesichter nicht mehr erkannt. Haushalt, Ernährung und Körperpflege werden vernachlässigt, vermehrte Hilfe durch Angehörige und Pflegekräfte wird benötigt. Oft Unruhe und Aggressivität.

3. Stadium:

Schwere Demenz 

Der Betroffene ist vollständig von der Hilfe Anderer abhängig. Die Wohnung wird nicht mehr als das Zuhause erkannt, Angehörige sind Fremde. Essen und Trinken sind ohne fremde Hilfe kaum noch möglich. Verlust der Kontrolle über Blase und Darm. Der Betroffene kann zu einem bettlägerigen Pflegefall werden.

Eine medikamentöse Therapie, die die Alzheimer Krankheit verhindern oder heilen könnte, existiert noch nicht. Es gibt verschiedene Ansätze, aber keinen Duchbruch. Trotzdem ist eine frühzeitige Diagnose durch einen Neurologen wichtig, denn am Anfang können Medikamente die Krankheit verzögern. Die Diagnose wird gestellt durch durch Untersuchung von Blut und Nervenwasser sowie CT und Kernspin (MRT) und spezielle psychologische Tests.

Von entscheidender Bedeutung sind der richtige Umgang und die qualifizierte Pflege für den Alzheimer-Patienten. Gegenwärtig werden die meisten Patienten zu Hause betreut, die Betroffenen gehen leichter mit dem Verlust ihrer körperlichen und geistigen Fähigkeiten um. Die Angehörigen sollten sich genau über die Krankheit informieren und sich darauf einstellen, was sie emotional und auch finanziell erwartet, denn mit dem Fortschreiten der Krankheit muss der Patient Tag und Nacht betreut werden. Einrichtungen wie Tagespflegedienste, Pflegeheime und Selbsthilfegruppen können mit Rat und Tat zur Seite stehen. Sollte die Pflege zu Hause nicht möglich sein, ist die Einweisung in eine Pflegeeinrichtung mit einer Spezialstation für Demenzkranke unumgänglich.

 

Die nach der Alzheimer-Krankheit zweithäufigste (ca. 15 %) Form einer Demenz ist die vaskuläre Demenz. Sie ist das Ergebnis einer Störung der Durchblutung des Gehirns, die wiederum verursacht wird durch Gefäßverkalkung (Arteriosklerose, Schlaganfall oder Hirnblutung). Der akute oder chronische Sauerstoff- und Nährstoffmangel führt zum Untergang von Hirnzellen. Diese Demenz ist verbunden mit Lähmungen, seelischen Veränderungen, Sprach-, Seh-, Hör- und Schluckproblemen. Sie kann sich chronisch entwickeln oder auch plötzlich auftreten. Hier bestehen im Gegensatz zum Alzheimer viele therapeutische Ansätze. 

 

Moderater Weingenuss und Demenz bzw. Alzheimer

1997 erregte eine Studie von Prof. Orgogozo aus Bordeaux in der Fachwelt großes Aufsehen. Er untersuchte knapp 3.800 Männer und Frauen, älter als 65 Jahre über 3 Jahre und stellte fest, dass die Teilnehmer, die täglich 0,25 bis 0,5 Liter Wein tranken, deutlich seltener an Demenz und Alzheimer erkrankten als Abstinenzler (siehe folgende Grafik).

 

Deutlich vermindertes Alzheimer- und Demenzrisiko von Weintrinkern

 

In der Folge wurden in den letzten 15 Jahren eine Reihe von Studien in aller Welt durchgeführt, die den Zusammenhang zwischen moderatem Alkohol- bzw. Weingenuss und der Häufigkeit von Demenz bzw. Alzheimer untersuchten. Aus der großen Zahl seien beispielhaft einige erwähnt:

So ergab eine Langzeit-Studie über das Altern von Senioren in Australien aus dem Jahre 1990 (Dubbo-Studie), dass die moderate Aufnahme von Alkohol das Demenzrisiko verringert gegenüber Abstinenzlern. Ein Unterschied zwischen Bier und Wein wurde nicht festgestellt.

Hingegen stellte Prof. K. J. Mukamal aus Boston 2003 fest, dass nur moderater Weingenuss einen Schutzeffekt vor einer Demenz bewirke (siehe die folgende Grafik).

 

 

Ähnliches stellte Prof. Mehlig in Göteburg in einer über 34 Jahre laufenden Studie - allerdings nur bei Frauen - fest. Hierbei ergab sich, dass Wein das Gehirn vor dem Verfall schütze, für Bier und andere alkoholische Getränke gelte das nicht.

Prof. Sing aus den USA untersuchte über 6 Jahre 3.000 Frauen und Männer im Alter von 75 Jahren und mehr. Er stellte fest, dass allen voran der Wein das dementielle Risiko senke, 1 bis 2 Gläser täglich bewirken eine Risikominderung von 37 % für Alzheimer und andere Demenzen.

Eine ganz neue Studie aus dem Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim zeigt, dass bei Probanden im Alter von 75 Jahren und mehr moderater Alkoholgenuss das Demenzrisiko um 29 % senkt, das Alzheimer-Risiko sogar um 42 %. Hier wurden keine Unterschiede zwischen den verschiedenen alkoholischen Getränken festgestellt.

 

Eine systematische Überprüfung von 23 epidemiologischen Studien im Jahre 2008 durch Prof. Peters ergab, dass bei niedrigem bis mäßigem Genuss von alkoholischen Getränken das Demenz-Risiko um 38 % sank, das Alzheimer-Risiko um 32 %. Am besten wirkte der moderate Weinkonsum.

 

Hierzu passt das Ergebnis der  „Tromso-Studie“ aus Norwegen. Hier wurden 5.000 Männer und Frauen über 7 Jahre beobachtet und jeweils die geistige Leistung mit verschiedenen Tests gemessen. Nach 7 Jahren hatten nur moderate Weintrinker eine bessere Gehirnfunktion. Bier und Spirituosen waren ohne Einfluss.  Abstinenzler zeigten eine geringere Hirnleistung.

 

Gesunder Lebensstil mit Wein

20 g Weinalkohol täglich für die Frau = 200 - 250 ml Wein

30 g Weinalkohol täglich für den Mann = 300 - 375 ml Wein

+ vitalstoffreiche Vollwertkost = Obst, Gemüse, Salate, Eiweiß (Fisch, mageres Fleisch), Rapsöl / Olivenöl, Ballaststoffe = „mediterrane Kost“

+ ausreichend körperliche Bewegung

=> Senkung der Sterblichkeit an Herz - Kreislauf - Gefäßerkrankungen, besonders Herzinfarkt und Schlaganfall um bis zu einem Drittel! Schutz vor Alzheimer! Schutz vor Diabetes Typ2! Senkung der Gesamtsterblichkeit um 10 bis 20%!

 

Wie kann man diese Schutzwirkung des Weines vor Demenz und Alzheimer erklären?

Der Wein schützt auf verschiedene Weise unsere Schlagadern, die sämtliche Organe, auch unser Gehirn mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgen: durch Verbesserung des Fettstoffwechsels, Verflüssigung des Blutes, Vorbeugung vor Gefäßverschlüssen, Verbesserung des Zuckerstoffwechsels und Schutz vor Diabetes Typ 2, Vermehrung der wichtigen Gefäß- und Herzschutzzellen im Blut. Dies sind die Hauptwirkungen.

Bezüglich unseres Gehirns führt der moderate Weingenuss zu einer Zunahme der Hirndurchblutung, dadurch zur Verbesserung der Sauerstoffversorgung und des Hirnstoffwechsels. Das Wohlfühlhormon Serotonin wird im Gehirn erhöht, dadurch werden geistige Frische und Leistung gesteigert und Depressionen vorgebeugt. All dies vermindert den altersbedingten Abbau des Gehirns und damit auch das Risiko für eine Demenz.

Von ganz besonderer Bedeutung für die Schutzwirkung des Weines auf den Körper, aber auch auf unser Gehirn sind die Polyphenole, von denen im Wein bis zu 100 nachgewiesen wurden. Sie sind hochwirksame Antioxydantien.

Der interessanteste Stoff aus dieser Gruppe ist das Resveratrol, „das Wundermolekül aus der Traube“, wie es die „Die Welt“ im Oktober 2010 schrieb. Resveratrol ist  im Weißwein kaum, dafür im Rotwein in größerer Menge enthalten, besonders in Spät- und Frühburgunder. Wissenschaftler in den USA haben festgestellt, dass sowohl in Zellkulturen als auch im Tierversuch Resveratrol die Bildung des giftigen Beta-Amyloid bei Alzheimer verhindern bzw. schon vorhandene Ablagerungen auflösen kann. Hier wird zur Zeit intensiv in aller Welt weiter geforscht, denn in Resveratrol oder ähnlichen Substanzen bestünde eine erste Möglichkeit der Prävention bzw. Therapie von Alzheimer!

 

Was beugt Altersdemenz und Alzheimer vor?

Wie bereits erwähnt, gibt es bis heute keine wirksame Therapie gegen  Alzheimer und die meisten Formen der Demenz. In den Medien wird über Prominente berichtet, die an Alzheimer erkrankt waren bzw. sind: Ronald Reagan, Charles Bronson, Helmut Schön, Helmut Zacharias; in letzter Zeit über Gunther Sachs, der wegen seiner Erkrankung Selbstmord beging, und Rudi Assauer. Niemand ist vor der Erkrankung gefeit. Es gibt jedoch eine Reihe Erkenntnissen, wie man ihr in gewisser Hinsicht vorbeugen kann.

Geistig aktiv bleiben: z.B. Kreuzworträtsel lösen, Lesen, Schach oder Karten spielen, soziale Kontakte und Engagements pflegen, ebenso Hobbys ausüben wie Reisen oder kulturelle und künstlerische Aktivitäten. Ein geregelter Tagesablauf und in fester Partnerschaft leben schützt vor Alzheimer und Demenz. Körperliche Aktivitäten sind besonders wichtig, z. B. Gartenarbeit, Wandern, Nordic Walking, Schwimmen, Radfahren. Eine dieser körperlichen Aktivitäten 1/2 Stunde lang täglich 5 - bis 6-mal pro Woche ist schon ausreichend.

Wichtig ist die Bekämpfung der Risikofaktoren für Arteriosklerose und damit Durchblutungsstörungen: Ärztliche Behandlung von Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen. Nicht rauchen. Abbau von Übergewicht und negativem Stress.

Ganz besonders wichtig ist eine  gesunde “mediterrane Ernährung“. Hier einige Hinweise:

Omega-3-Fettsäuren aus Lachs, Thunfisch, Makrelen, Raps- und Nüssen sind besonders wichtig für die Hirnfunktion. Die B-Vitamine in grünem Gemüse und Vollkorngetreide sind ebenso wie  Vitamin B 12 aus Fleisch, Fisch und Milchprodukten für das Gehirn wertvoll. Polyphenole sind nicht nur im Wein, sondern auch im blauen Obst, in Schokolade und Kakao enthalten. Zink und Eisen aus Vollkorngetreide, Fleisch, Nüssen und Gemüse sind wichtig. Reichlich frisches Obst, Salate und Gemüse, am besten aus der Region und saisonal-frisch. Weiter wichtig sind: ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Vermeidung von Unterzuckerung besonders bei Diabetikern durch regelmäßige Aufnahme von Mahlzeiten, darin enthalten wenig Süßigkeiten, aber komplexe Kohlehydrate wie Kartoffeln, Nudeln und Vollkornbrot.

Schließlich der tägliche moderate Weinkonsum, wobei der Spät- und Frühburgunder viele Polyphenole und Resveratrol enthalten. Moderat heißt für die Damen 0,2 bis 0,25  und für die Herren 0,3 bis 0,4 Liter täglich.

 

Abschließende Gedanken:

Weltweit wird intensiv geforscht, um Ursache und damit Therapie von Demenz und insbesondere Alzheimer zu finden. Deutschland liegt hier weltweit auf Rang 3. Es ist sehr zu hoffen, dass die Forschungen bald erfolgreich sein werden. Bis dahin müssen wir alles tun, um durch einen gesunden Lebensstil diese Erkrankungen zu verhindern oder hinauszuzögern und beim Auftreten einer solchen Erkrankung  Patienten und Angehörigen hilfreich zur Seite stehen. 

Weiterführende Informationen: Alzheimer-Forschung Initiative e. V. Stiftung Alzheimer-Initiative. Zukunftsforum Demenz (Fa. Merz)

Foto: fotolia

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Benutzer-Kommentare

1 comments

(Aktualisiert: 30 November -0001)
DS

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