Wunderbare gereiftere Rieslinge
schöne Weine in der kühleren Jahreszeit
https://bonvinitas.com/media/reviews/photos/thumbnail/780x560c/b8/fd/3f/wunderbare-gereiftere-rieslinge-88-1473344689.jpg„Ich bin Riesling-Fan“, hört man oft sagen. Prima! Doch die Bandbreite der Rieslinge ist groß. Sie ermöglicht viel spezielle Auswahl – verschiedenste Richtungen, wann, wozu! Von der Alternative trocken oder mild möchte ich einmal nicht reden. Denn sehr interessant ist auch die Wahl zwischen jungen flotten Tropfen und gereifteren Weinen, die sozusagen erwachsen daherkommen. Ganz abgesehen vom speziellen Wozu möchte ich sagen, junge, flotte Tropfen passen eher in die warme Jahreszeit, im Sommer auf der Terrasse, oder zu einem Ball mit Tanz, wo einem etwas wärmer wird. Für ruhigere Abende, wenn diese dann schon früher hereinbrechen, passt wunderbar ein gereifterer Riesling. Man muss nicht alle Weine jung trinken. Und wem ein Bezug zur Jahreszeit schwerfällt: Allgemein bekannt ist ja das Phänomen, dass Weine, die im Urlaub großartig schmeckten, daheim nicht mehr so recht munden. Also, Stimmungen, Umgebungen, Klima, Jahreszeiten … spielen eben doch eine Rolle.
Natürlich brauchen Weine zum Reifen Potenzial, denn wo nicht viel ist, kann nicht viel reifen. So habe ich mich umgesehen oder besser „umgeschmeckt“ und möchte vier schöne Tropfen vorstellen. Es sind meine persönlichen „Redaktionsentdeckungen“ neben den neutralen Blindbewertungen durch Weinfachleute in unserem Weinführer. Bitte sich nicht über die hohen Punktzahlen wundern, ich habe natürlich eine Vorauswahl getroffen und stelle hier nur die Allerbesten vor.
Mit 94 Punkten (rote Punkte, Kategorie 2, trocken, über 12 %.) bewertet habe ich den 2013 Kastelberg Riesling Grand Cru der Domaine Gresser in Andlau/Elsass: Reifer Duft mit Eleganz und Süße, deutlich Zitronat; am Gaumen viel Substanz und Tiefe mit festgebautem, mineralischem Abgang. Ein Wein fast wie ein Monolit! Der Tropfen zeigt viel Potenzial für die Zukunft. Ich gebe ihm gut 10 Jahre und halte ihn in seiner Art fast noch für zu jung, auch wenn er schon aus 2013 stammt, ein Wein, der seine Zukunft spannend macht. Stand heute schön zu Gänseleber, zu elsässischen Gerichten mit Sauerkraut oder auch zu Ochsenzunge. Das bis ins 16. Jahrhundert zurückreichende heute 10 Hektar Weingut wird von Rémy Gresser betrieben mit Besitz in den Grand Cru Lagen Kastelberg, Wiebelsberg und Moenchberg.
Eine feine Reife sehr individuell, gepaart mit unterschwelligem Temperament zeigt der 2013 Schloss Gobelsburg Riesling „Tradition“ trocken, Qualitätswein Niederösterreich, vom Weingut Schloss Gobelsburg, den ich mit 92 Punkten bewertet habe. Schon die Nase ist verlockend, reif, rund, füllig; das Finish überzeugt. Ein vornehmer Tropfen, fast möchte ich sagen mit interessanten Ausblicken, der mich an einen Spiegelsaal in einem Schloss erinnerte . Ich gebe ihm gut 8 bis 10 Jahre Zukunft und bin sehr interessiert, wie er dann schmeckt. Stand heute schön zu Räucheraal, Räucherschinken oder Schweinemedaillons. Das Schloss liegt in Gobelsburg, das zu Langenlois bei Krems gehört. Die Weingärten erstrecken sich rund ums Schloss, wo jeder entsprechend seinen Eigenarten gepflegt wird, und man die best-geeigneten Sorten seit Jahrhunderten ausprobiert hat. So gedeiht dort heute an erster Stelle grüner Veltliner gefolgt von Riesling.
Mit 94 Punkten bewertet habe ich den 2011 Drohn Hofberg Riesling - 1Traube - trocken VDP Großes Gewächs des Weinguts Grans-Fassian in Leiwen an der Mosel: Ein sehr individueller Wein mit interessanten Schiefer-Noten, ein Gedicht, nicht „0-8-15“, wie ich notiert habe; schon in der Nase wunderbare Edelreife mit dezenter Petrolnote – steht ihm prächtig; alles mündet in ein pittoreskes Finish. Eine großartige Entdeckung, eine kleine Diva! Ich freue mich immer über individuelle Weine und den Mut des Winzers, solch einen Weg vom Weinberg her über den Ausbau zu gehen. Ich gebe dem Tropfen weiterhin etliche Jahre der weiteren Emporentwicklung. Stand heute schön als Aperitif, zu Schmalzbrötchen, zu schön angebratenen Kohlrouladen oder frischen Pfifferlingen. Das Weingut wird heute von Gerhard Grans geleitet, der es von 4 auf 11 Hektar in besten Lagen über der Mosel erweitert hat.
Sehr gut gefallen als feinherber Tropfen – 92 Punkte (Kategorie 3, orange, mit Restsüße) – hat mir der 2012 Monzinger Halenberg Riesling -R- VDP Große Lage vom Weingut Emrich-Schönleber in Monzingen an der Nahe. Ein sehr unterhaltsamer Wein, habe ich notiert, mit reifer, feiner Nase, der am Gaumen dezente Süße mit viel Kraft und Biss vereint. Man fragt sich, welche „Geschichte“ der Wein eigentlich erzählt. Das macht ihn interessant. Zukunft gebe ich ihm mindestens 10 Jahre, und es lohnt sich, ihn hinzulagen. Die vier Jahre bis dato sind noch gar nichts. Stand heute schön zu gebratener Leber, Grillsteaks oder Peking-Ente cross. „Es gibt Millionen von guten, fehlerfreien aber doch langweiligen Weinen auf dieser Welt, die bei einer schnellen Verkostung oftmals für Begeisterung sorgen, von denen aber kaum ein Weinfreund mit Spaß ein zweites Glas trinkt. Unsere Philosophie ist eine andere. So unterschiedlich wie die Geschichte der Weine, von der Rebblüte bis zur Abfüllung, so unterschiedlich sind auch ihre Charaktere“, lassen sich Frank und Werner Schönleber vernehmen, die das Weingut heute leiten. Der verkostete Tropfen beweist wahrlich, dass ihnen der individuelle Charakter der Weine wichtig ist.
Text: Dieter Simon, Herausgeber und Chefredakteur bonvinitas; Aufmacherbild: bonvinitas, ander Fotos wie angegeben.
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