Navarra - eine Region, die aus dem Schatten tritt
https://bonvinitas.com/media/reviews/photos/thumbnail/780x560c/7b/50/e5/navarra-eine-region-die-aus-dem-schatten-tritt-64-1424444294.jpgWer kennt sie nicht, die Bilder von rasenden jungen Männern, die vor brüllenden Stieren in den engen Straßen von Pamplona herrennen, hoffend, dass sie dieses Spektakel heil überstehen. Wer hat nicht schon das ein oder andere Mal gedacht, wie der Kabarettist Hape Kerkeling, sich zur Selbstfindung oder aus sonstigen Gründen auf den Jakobspilgerweg zu begeben. Doch die autonome Region Navarra im Norden Spaniens hat deutlich mehr zu bieten als diese touristischen Attraktionen. Eingebettet zwischen Pyrenäen und Ebrotal gehört sie zu den reizvollsten und abwechslungsreichsten Landstrichen Spaniens. Kulturelles, wirtschaftliches und geographisches Zentrum der Region ist die fruchtbare Hochebene um die Landeshauptstadt Pamplona. Während der Norden Navarras vom grünen und feuchten Südhang der Pyrenäen mit seinen Wäldern, Seen und Flüssen geprägt ist, erstreckt sich südlich Pamplonas ein weinreiches Hügelland zum Ebro hin.
Wenn auch noch immer etwas im Schatten der bekannteren Region Rioja stehend, gehört Navarra, gemeinsam mit einigen anderen spanischen Anbaugebieten, zu den ältesten Weinbauregionen dieser Erde. Funde von Geräten und Trinkgefäßen lassen vermuten, dass hier schon vor der Zeit der römischen Besatzung Weinbau betrieben wurde. Dieser erlebte ein ständiges Auf und Ab im Lauf der Geschichte. Kam er unter der maurischen Besatzungszeit fast zum Erliegen, galt Navarra im 13. Jahrhundert als Land der Weingärten und des Weines und stieg zum erfolgreichen Weinexporteur auf. Dies führte im 17. Jahrhundert zu einer regelrechten Weinschwemme mit dem Ergebnis, dass die Neuanlage von Weinbergen mit Strafen belegt wurde. Eine Anekdote berichtet, dass so viel Wein gab, dass man ihn statt Wasser zum Anmischen von Zement für den Kirchenbau verwendet habe. Doch wie so oft, ist der Mensch nicht allein für das Wohl und Wehe der Natur verantwortlich. Wie in vielen anderen europäischen Anbaugebieten verrichtete die Reblaus Ende des 19. Jahrhunderts auch in der Navarra ihre zerstörerische Arbeit. 50.000 ha vielen ihr zum Opfer. Heute beträgt die Anbaufläche 15.900 ha. Seit 1975 verfügt das Gebiet über den Status einer D. O. (Denominación de Origen) und ist unterteilt in fünf Untergebiete.
• Baja Montaña
• Ribera Baja
• Ribera Alta
• Tierra Estella
• Valdizarbe
Diese, südlich von Pamplona in den Ausläufern der Pyrenäen gelegen, verfügen in puncto Klima, mit einer Niederschlagsmenge von 480 bis 660 mm/Jahr und einer mittleren Sonnenscheindauer von 2.200–2.500 Stunden/Jahr über die besten Voraussetzungen für Weinbau. Obwohl der nördlichste Zipfel der D.O. Navarra gerade einmal 100 km Luftlinie vom südlichsten Punkt des Anbaugebiets in der Ribera Baja entfernt ist, herrschen in den verschiedenen Teilgebieten die unterschiedlichsten klimatischen Verhältnisse. Grund dafür ist die Lage der Region, durch die eine Klimagrenze verläuft, die einerseits geprägt ist durch feuchtes und kühles atlantisches Klima und andererseits durch das heiße, trockene Mittelmeerklima. Des Weiteren üben die Bodenverhältnisse der einzelnen Regionen einen starken Einfluss auf den Geschmack der Weine aus. Im Norden der Ribera Baja herrscht ein kalkiges Rot vor, während im Süden eher ein rötliches Grau das Landschaftsbild prägt.
In der Zone Ribera Alta dominieren kalkhaltigen Böden geologischen Ursprungs aus dem Eozän und Miozän und etwas sandige, rötliche Erde der Flusstäler. In der Hügelregion der Baja Montaña findet man viele rötliche bzw. gelblich gefärbte Böden. Am Oberlauf des Flusses Aragón hingegen sind die Böden kalkhaltig und von entsprechend kalkweißem Aussehen. Aber auch extrem rote Böden sind in der Navarra zu finden.
Diese Verschiedenartigkeit von Klimazonen und Böden prägt den individuellen Charakter der Weine in den einzelnen Teilregionen und ist die Basis für den Nuancen-Reichtum der Navarra-Weine. Was den Rebsortenspiegel betrifft, hat sich im Gegensatz zu früheren Zeiten viel geändert. Bedeckte die robuste Rotweinsorte Garnacha Tinta einst 85% der Rebfläche, ging deren Anbau durch die Umstellung von der traditionellen Erzeugung einfacher Roséweine auf modernen Rotweinanbau kontinuierlich auf bis heute 45% zurück. Sie hält sich insbesondere im heißen Süden der Region. Der Anteil der Roséweine insgesamt beläuft sich auf ca. 20% der gesamten Weinproduktion von Navarra. Die rote Rebsorte Tempranillo fristete lange Zeit mit einem Anteil von nur 5% ein Schattendasein. Durch die Qualitätsoffensive jedoch ist ihr Anteil auf über 27% gestiegen. Sie ist schlechthin wie in der Rioja die bevorzugte Sorte für die Herstellung hochwertiger Gewächse. Die roten Sorten Cabernet Sauvignon (ca. 9%) und Merlot (ca. 6%) werden in der Regel nicht sortenrein ausgebaut, sind aber für einen Verschnitt mit Tempranillo interessant. Die roten Rebsorte Mazuela ergänzt das Angebot.
Die weiße Rebsorte Viura belegt nur noch 5% der Rebfläche und das Interesse verlagert sich zunehmend auf Chardonnay (ca. 2%). Vervollständigt wird der weiße Rebsortenspiegel noch durch die Sorten Garnacha blanca, Malvasia und Moscatel.
Besonders zu erwähnen ist die Bodega Otazu in Etxauri, mit der nördlichsten Weinlage in Navarra. Zusammen mit den kiesigen und tonigen Böden führt das kühle Klima zu Weinen besonderer Persönlichkeit. 2009 erhielt die Lage die Pago Appellation Zertifizierung, die höchste Einstufung eines Weinbergs in Spanien. Nur 14 Weingüter in ganz Spanien verfügen über Lagen dieser Einstufung.
Navarra insgesamt präsentiert heute in seinem Angebotssortiment eine Mischung aus klassischen Weinen und modernen Rebsorten und ist auf dem Weg aus dem Schatten der bekannteren Nachbarregion Rioja herauszutreten. Die vielen Auszeichnungen und Medaillen, die Navarra-Weine in den letzten Jahren bei internationalen Wettbewerben erringen konnten, sind ein Beweis. Auch das Preis/Leistungsverhältnis ist in der Regel deutlich günstiger als beim Nachbarn. Einen Roten zu einer Paella, einer Lammkeule oder katalanischem Ratatuille - einen Rosado zu grünem Spargel mit Venusmuscheln, Champignons mit Chorizo oder Melone mit Serranoschinken - oder einfach solo! Die Bandbreite der Navarra-Weine ist groß. Es lohnt, sich einmal mit Weinen aus dieser Region zu beschäftigen.
Fotos: Ruiz PR Otazu, die anderen Pix of Spain