Deutschland endlich auch auf dem Weg zum europäischen Weinrecht - und was sich für den Weinfreund ändert

Weinbauverband Rheinhessen steht voll dahinter

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Schon vor fast 50 Jahren trat die erste europäische Weinmarkt-Ordnung in Kraft, genau die EWG Verordnung 816/70 vom 28. April 1970, der sich Deutschland jedoch weitgehend entzogen hat. Doch jetzt versucht man die Kehrtwende. Im Bundesministerium für Landwirtschaft bastelt man an neuen Regeln, und auch die Weinbauverbände folgen, wie hier der rheinhessische.

Zum Hintergrund

Weinberge im Bordeaux-Gebiet in der Region Saint EmilionDie 1970er Weinmarkt-Ordnung, die prinzipiell bis heute gilt, war bzw. ist am französischen Qualitätsmodell orientiert, das die Qualitätsstufen an die Herkunft bindet. Entsprechend sind die Rebflächen und Terroirs genau klassifiziert in Landweingebiete und in Gebiete mit „appellation d'origine contrôlée“ (AOC), viele davon mit weiteren Stufenleitern bis hin zu „premier grand cru classé“, was sich teils auf kleinste Flächen bezieht. Festgelegt sind weiter Rebsorten, Hektarhöchsterträge, Mindestalkoholgehalte und mehr, wobei vor allem die beiden letzteren durch berufliche Kommissionen an Jahrgansbesonderheiten angepasst werden können. Das System ist also ein Stück weit flexibel. Es liegt die Erkenntnis zu Grunde, dass die Qualität im Weinberg wächst, dessen Eigenschaften entscheidend sind für die Weinqualität, und sich die Einstufung daran orientieren muss. Die anderen europäischen Weinbauländer haben ihr Weinrecht nach und nach dem angepasst, wie z.B. die DOC- oder DOCG-Weine in Italien, die IGP- und DOP-Weine in Spanien oder die DAC-Weine in Österreich.

Deutschland vor tiefgreifenden Änderungen

Hingegen hatte man in Deutschland die gesetzliche Qualitätspyramide vor allem an die Öchslegrade geknüpft und zur Beruhigung der EWG seinerzeit das Qualitätsprüfungsverfahren eingeführt, das inzwischen allerdings weitgehend EU-weit für die höheren Qualitätsstufen ebenfalls gilt. Nun setzt sich auch in Deutschland die Überzeugung durch, dass nicht vorwiegend die Öchsle-Grade die Grundlage der Qualitätseinstufung bilden können, sondern vor allem der Weinberg und die Reben, von denen der Wein stammt, und die Gesetzgebung EU-gemäß auch bei uns dem folgen sollte. Der VDP war dabei mit seinen Lagen-Klassifizierungen übrigens schon lange Vorreiter. Die Öchsle-Grade spielen dann erst in Form von Mindestalkoholgehalten eine Rolle, sind aber nicht in erster Linie stufenbildend, sondern das Wachstum.

Der Weinbauverband Rheinhessen zur Neuausrichtung des Weinbezeichnungsrechtes

Reben in Rheinhessen, die der Klassifizierung harren, hier in Nierstein-SchwabsburgDer Weinbauverband Rheinhessen im Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd e.V. (BWV) spricht sich dafür aus, bei der Neuausrichtung des Weinbezeichnungsrechtes die Herkunft eines Weines konsequent in den Fokus zu rücken und eine klare qualitative Einordnung der unterschiedlichen Qualitätsebenen vorzunehmen. Für den Präsidenten des Weinbauverbandes Rheinhessen, Ingo Steitz, muss dabei aber immer auch der Verbraucher als Zielgruppe mitgedacht werden: „Ein neues Bezeichnungsrecht muss einerseits Sicherheit für die Winzer, aber auch Klarheit für die Konsumenten bringen.“ 
 
Die Herkunftsprofilierung ist einer der Eckpunkte für ein neues Weingesetz, dass derzeit im Bundeslandwirtschaftsministerium erarbeitet wird. Vor diesem Hintergrund hat der Vorstand des Weinbauverbandes Rheinhessen eine mögliche Struktur der zukünftigen Qualitätspyramide als Diskussionsbeitrag entworfen. Das Einstiegssegment bilden demnach Weine der sogenannten geschützten geographischen Angaben (g.g.A.), die den aktuellen Landweingebieten entsprechen. Darüber stehen als zweite Basis die Weine aus den Gebieten mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g.U.) - den dreizehn deutschen Anbaugebieten. 
 
Über diesem zweistufigen Unterbau der Qualitätspyramide folgen die geographisch noch enger gefassten Herkünfte. Der Weinbauverband Rheinhessen unterscheidet in seinem Vorschlag die drei Ebenen „Bereich/Großlage“, „Ortswein“ und „Einzellage“, an die jeweils verschiedenen Anforderungen und Spezifikationen geknüpft werden. Neben der Einschränkung der möglichen Rebsorten und der Definition eines Mindestmostgewichtes, sieht das Modell auch eine Reduzierung des Ernteertrages in den Ebenen „Ortswein“ und „Einzellage“ vor. Weitere Profilierungskriterien darüber hinaus sollen in dem Verantwortungsbereich der jeweils zuständigen Schutzgemeinschaft liegen.

Was hat der Weinfreund davon?

Nun, man kennt ja diese Herkunfts-Qualitätsanforderungen von vielen Weinen aus anderen EU-Ländern. So steht z.B. bei Barolo nicht einmal auf dem Etikett, dass die Sorte nur Nebbiolo ist. Es ist ein bestimmter Weintyp aus einer genau abgegrenzten Region und genau festgelegten erstklassigen Weinbergen mit Produktionsvorgaben. Die Sorte versteht sich von selbst, ja die Angabe Nebbiolo ist nicht einmal zulässig, nur wenn der Wein von benachbarten Regionen kommt. So kann der Weinfreund bei kleineren Ursprungsbezeichnungen eine entsprechende Art von Wein und eine entsprechende Qualität erwarten, die für diese Herkunftsbezeichnung festgelegt ist - fallweise bis hin zu nur einer Rebsorte. Nebenbei bemerkt, das VDP Weingut Dr. Bürklin-Wolf in Wachenheim/Pfalz gibt bei Einzellagen-Weinen nicht mehr die Sorte an. Riesling versteht sich von selbst.

Facit

Man wird also mehr „Herkünfte“ trinken und natürlich auch – wie bisher – entsprechende „Produzenten“. So muss oder kann man sich mehr Herkünfte bis hin zu Einzellagen merken, bekommt dafür aber einen entsprechenden Typ und eine entsprechende Qualität von Wein, der nur nach Jahrgängen und Reife schwankt, sonst aber ziemlich konstant das ist, was man wünscht und erwarten darf. 

 
Text: Dieter Simon, Chefredakteur und Herausgeber bonvinitas; Quelle Abschnitt Rheinhessen: Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd e.V.; Aufmacherbild Hintergrund: Deutsches Weininstitut; Fahnen: Pixabay; Foto: Saint-Emilion: wjarek - stock.adobe.com; Reben Rheinhessen: Rheinhessen-Touristik GmbH - Karl-Georg Müller
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