Nun also ist es da, das neue Bayern-Kochbuch vom omnipräsenten Starkoch Alfons Schuhbeck. Mit über 500 Seiten wahrlich ein gustatorisches Schwergewicht und mit über 500 Rezepten ist dieses bayerische Standardwerk doppelt so umfangreich wie frühere Ausgaben. Was die Aufmachung betrifft ist positiv zu bemerken, dass man sich mit Bildern wohltuend zurückgehalten hat und somit viel Platz für Rezepte bleibt und das Buch nicht zum Bilderbuch mutiert. Da wo sie hingehören sind sie qualitativ hochwertig, informativ, aussagekräftig und hilfreich. Und das ist gut so. Wie es sich für ein solches Standartwerk gehört, hat man vor den Genuss, das „Küchenwissen“ gestellt. Dies umfasst Infos über Garmethoden, Küchenhelfer, Kräuterkunde, Öle, Fette etc.. Danach folgt die klassische Aufteilung in verschiedene Sparten.
Brotzeit ist die schönste Zeit
Den Anfang machen Brotzeit (in Bayern bekanntlich die schönste Zeit) Salate und kleine Gerichte. Auf 60 Seiten sind mit Griebenschmalz, der obligatorische Weißwurst bis hin zum Ochsenmaulsalat alle typisch bajuwarischen Klassiker vertreten. Aber Schuhbeck wäre nicht Schuhbeck, wenn er nicht ein paar besondere Schmankerl mit dabei hätte. Wie wäre es mit „Marinierter Presssack mit Steinpilzen“ oder „Gebackene Weißwurstradel auf Linsensalat“? Kräftig, deftig aber immer mit einer Spur Raffinesse. Besonders positiv zu erwähnen sind hierbei die vielen Salatrezepte und ihre jeweiligen Dressings. Aber auch kleine, feine Gerichte wie „Zweierlei vom Saibling mit Meerrettichmousse“ oder „ Gebratene Hendlbrust mit Radi und Pfifferlingen“ oder gar ein Lachsforellen -Carpaccio mit Limettenschaum“ lassen auch die verwöhnten Gaumen zu ihrem recht kommen.
Von Suppen und Eintöpfen
Löffel für Löffel Genuss verspricht dann die Rubrik Suppen und Eintöpfe. Grundrezepte, wie das Kochen einer Rinder- oder Hühnerbrühe werden in bebilderten Einzelschritten genauso ausführlich und nachvollziehbar erklärt wie das Herstellen diverser Einlagen wie Griesnockerl oder Leberknödel. Hier finden auch extravagantere Variationen wie eine „Bratapfel-Maronen-Suppe“, eine „Geeiste Gemüsesuppe“ oder eine bayerische Bouillabaisse ihren Platz. Gerichte, die nicht nur kalten Wintermonaten vorbehalten ein sollten. Natürlich darf in der heutigen Zeit die vegetarische Seite nicht außen vorgelassen werden. Im Gegenteil, mit über 50 Seiten nimmt sie einen beachtlichen Teil des Buches ein.
Gemüse, Kartoffeln und Teigwaren
Hier zeigt sich wie variabel die Zubereitung von Gemüse, Kartoffeln und Teigwaren sein kann. So sagen denn auch bei „Fingernudeln auf Birnen-Rahm-Kraut“ oder einem „ Getrüffeltem Nudelgangerl mit Cocktailtomaten und Zucchini“ sicherlich nicht nein. Auch hier sind die Herstellung von Nudeln, Maultaschen oder Spätzle anhand von Bildern schrittweise erklärt.
Braten, Schmoren, Garen, Bayern isst Fleisch.
Braten, Schmoren und Brutzeln, Wem nicht beim Lesen schon den Bratenduft glaubt zu riechen, oder wem nicht schon beim Gedanken an einen leise vor sich hin simmernden Tafelspitz das Wasser im Mund zusammenläuft, ist nicht zu helfen. Weg vom immer mehr platz einnehmenden Grillwahn hin zu den alten Kochmethoden. Entschleunigung pur. Die Entdeckung der Langsamkeit. In der Soße liegt die Kraft. Bei Sauerbraten, Rinderrouladen, Rinderbäckchen oder dem obligatorischen Böfflamot schlägt das Herz jedes Fleischliebhabers höher. Fast schon feierlich wird es bei der Vorstellung mit vielen Leuten am Tisch zu sitzen und es sich wohlergehen zu lassen bei „Rosa gebratenem Tafelspitz und Apfelrahmkraut“ oder einem „Ochsenschwanzragout“. Klassiker in neuem Gewand aus der Region und mit vielen regionalen Zutaten. Solche Gerichte haben die bayerische Küche beliebt gemacht und gut, dass man sie nicht auf dem vegetarischen Altar geopfert oder aus puren „Gesundheitsapostel- Gründen“ außen vorgelassen hat. Essen soll niemals eine Glaubensfrage, geschweige denn eine Doktrin werden, sondern Freiräume lassen für alle, die verstehen zu genießen und Essen wertschätzen, egal ob es sich um Fleisch oder Gemüse handelt.Aber was wäre ein bayerisches Kochbuch ohne seine Schweinshaxe, seinen Schweinebraten oder seine Fleischpflanzerl.
Jetzt wird’s Wild
Dies gilt auch für das heimische Wild und Geflügel, dem Schuhbeck das nächste Kapitel widmet. Hier nimmt wen wunderts, das Backhendl einen breiten Raum ein. Ob im Ganzen gebraten, in seine Einzelteile zerlegt, geschnetzelt, gefüllt, oder gar als Frikassee. Ein Hendl ist aus der bayerischen Küche nicht wegzudenken. Neben den oft schnell zuzubereitenden Hendlgerichten braucht man bei Gänsen oder Enten etwas mehr Geduld. Aber wer hat die nicht wenn eine „Gefüllte Bauernente“ ein „Gänsebraten mit Äpfeln und Zwiebeln“ oder auch „nur“ eine „Geschmorte Gänsekeule“ auf einen wartet. Das Gleiche gilt für Wildgerichte vom Wildkaninchen , Reh oder Wildschwein, wenn es sich nicht um Kurzgebratenes wie Medaillons, Steaks oder Filetspitzen handelt. Sehr einfallsreich sind bei den Gerichten die dazu passenden Beilagen. Ob Trauben und Speck, Rotweinsoße, Wurzelgemüse und grüne Soße, Birne, Spitz- oder Rotkraut, die Beilagen geben dem Ganzen das gewisse Extra.
Alles was schwimmt
Zahlreich sind die Seen und Gewässer in Bayern, entsprechend abwechslungsreich das Angebot an Fisch. Dies wird in dem Kapitel Vom Fischpflanzerl bis zum Karpfen im Bierteig deutlich. Aber auch nicht heimische Fische und Meeresfrüchte finden in wohlschmeckenden Speisen Verwendung. Welcher Fischliebhaber schnalzt nicht bei „Lachsforelle auf Meerrettichwirsing“ , gebratenem Lachs-Zander-Strudel mit Spinatsalat oder bei einem zarten “Bodenseefelchen in der Folie“ mit der Zunge. Auch hier spielen die Beilagen die zum Fisch gereicht werden eine für das Gesamtergebnis entscheidende Rolle.
Beilagen, mehr als nur dazugelegt
Demzufolge möchte ich besonders positiv herausstellen, dass der Rubrik Beilagen ein besonderes Kapitel – Von "Bayerisch Kraut" zu "Brezenknödel“ gewidmet ist. Wunderbar wie einfallsreich hierbei die bayerische Küche ist. Schuhbeck zeigt dies neben den Weißkraut- und Blaukrautvarationen in vielen Beispielen. Auch bei den anderen Gemüsearten sind der Kochphantasie keine Grenzen gesetzt. Wer glaubt die Kartoffel sei etwas Eintöniges, wird schnell eines Besseren belehrt. Allein 13 verschiedene Zubereitungsmöglichkeiten werden für diese Wunderknolle aufgezeigt. Dies gilt fast in gleichem Maße für die bayerische Knödelwelt. Hier avanciert das vermeintlich Einfache zum Besonderen.
Die gewissen Extras
Tribut zollt Schuhbeck auch der heutigen, schnelllebigen Zeit wo oft einmal etwas schnell und zwischendurch sein muss. Der Abschnitt „Saucen, Dips und Dressings“ zeigt auf, dass oft selbige das i Tüpfelchen auf dem Gericht sind. Erklärt werden hier wiederum in Einzelschritten das Herstellen, einer Hollandaise, von brauner Butter, einer Punsch- oder Karamellsoße. Sehr finessenreich auch die vielen Salatdressings und frisch- würzigen Dips bis hin zu den süßlich, fruchtigen Varianten.
Ende gut alles gut
Das Süße kommt immer zum Schluss. So auch hier. Ob die weltbekannte „Bayerische Creme“ , zahlreiche Mousse-Rezepturen, Cremes oder eisige Parfait- oder Sorbetvariationen, hier kommen die Zuckerschnuten nicht zu kurz. Vom sommerlichen “Champagnermousse mit kandierten Orangen“ bis zum „Winterliches Eissoufflee“ hier kann man „sündigen“ bis der Arzt kommt. Und wer dann immer noch nicht genug hat, der darf sich bei Mehlspeisen und Gebäck gütlich tun. Hier kann Bayern seine österreichischen Einflüsse nicht verleugnen. Von A wie „Apfelküchle im Bierteig“, über S, wie Strudelgerichte, allein fünf an der Zahl. bis zu Z wie „Zimtroulade mit Kirschkompot“.Dafür, dass sich alle „Nichtbajuwaren“ mit den bayerischen Gourmets kochtechnisch verständigen können, sorgt am Schluss des Buches ein bayerisches Küchenlexikon. Außerdem sind alle Rezepte Schritt für Schritt noch einmal gesondert aufgeführt.
Fazit:
Nicht nur für Liebhaber der bayerischen Küche ist dieses „Bayern-Kochbuch“ gedacht, sondern für alle, für die Essen nicht bloße Nahrungsaufnahme ist, sondern Genuss, ein Stück Kultur, und eine ganze Menge Lebenslust. Von einfach bis extravagant, von leicht bis deftig, mit vielen regionalen Einflüssen versehen, deckt dieses Buch eine große Bandbreite ab.
Alle Rezepte sind von der Zutatenliste bis zur Zubereitung klar und strukturiert abgefasst, sowie an manchen Beispielen in verschiedenen Schrittfolgen bildhaft dargestellt. Daneben sind die blaufarbig abgesetzten Tipps des Meisters, die über das ganze Buch verstreut sind, informativ und hilfreich. Alle Rezepte sind auch für Nichtgeübte nachkochbar. Es hat Riesenspaß gemacht, das Buch zu durchstöbern. Also was liegt demnächst an: Freunde einladen, Buch aufschlagen und ran an den Herd.
Text: Horst Kröber; Abbildungen: ZS Verlag
Alfons Schuhbeck
Bayern - Das Kochbuch
ZS Verlag, München 2019
Hardcover, über 500 Seiten
ISBN 978-3-898838-873-0
29,80€