Affinieren, die Kunst der Käseveredlung

Der Affineur Volker Waltmann und Christine Schneider verraten in ihrem Buch interessante Gourmet-Geheimnisse - und man kann’s selbst versuchen

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Von Horst Kröber  4872
Der Affineur Volker Waltmann (im Bild) und Christine Schneider verraten in ihrem Buch interessante Gourmet-Geheimnisse - und man kann’s selbst versuchen' Der Affineur Volker Waltmann (im Bild) und Christine Schneider verraten in ihrem Buch interessante Gourmet-Geheimnisse - und man kann’s selbst versuchen
Sicherlich wissen nicht viele, die Käseliebhaber einmal ausgenommen, was affinieren bedeutet. Demzufolge auch nicht, was ein Affineur ist. Diese Wissenslücke wird mit diesem knapp 200 Seiten umfassenden Buch geschlossen. Nach der Lektüre fasst einen das unbändige Verlangen, in den nächstgelegenen guten Käseladen zu gehen, um all das, was in diesem „Ratgeber“ steht, in die Tat umzusetzen. Affineur Volker Waltmann und Christine Schneider, passionierte Käseliebhaberin, haben es auf wunderbare Art und Weise verstanden, die Welt der Käseveredlung in verständlicher Weise aufs Papier zu bringen, neugierig zu machen und zum Selbstversuch anzustacheln. Nicht unwesentlich an der Lust, selbst zur Tat zu schreiten, tragen auch die wunderbaren, appetitanregenden, sachbezogenen Bilder von Tanja Major bei. Doch nun zum Buch selbst.

Ursprünge und heutige Vielfalt.

Käserohlinge im RegalBevor es ans eigentliche  affinieren (veredeln) geht, wird ein Blick in die Vergangenheit geworfen. Wo kommt das Produkt Käse eigentlich her, hat ihn irgendwer erfunden und wenn, wann. Zahlreiche Geschichten ranken sich um die Entdeckungsgeschichte. Letztlich geht man davon aus, dass es reiner Zufall war, dass Milch sich verdickte und der erste Käse entstand. Dieses „Versehen“ hat man dann in die Praxis umgesetzt und immer weiterentwickelt. Vom Stocken-lassen der Milch in Tiermägen und Amphoren und anschließendem verfeinern dieser quarkähnlichen Masse mit Honig oder Kräutern bis hin zu den heutigen unzähligen Käsesorten hat man das Produkt verändert. 20 Seiten widmet das Buch der Entwicklung des Käses, von der Entdeckung bis zum heutigen Genussmittel in einer unendlicher Vielfalt und modernen Kreationen. Bevor die Macher des Buches die Leserschaft navigierend durch die Käsewelt von bis zu 4.000 Käsesorten und ihre Veredlung geleiten, beschäftigen sie sich kurz aber intensiv mit dem Thema Käse und Gesundheit. Begriffe wie Schimmel und Laktoseintoleranz werden dabei eingehend erläutert.

Navigation durch die Käsewelt

Dieses Kapitel öffnet die Tür zu den Käsegenusswelten.  Angefangen von Grundzutaten bis hin zu  Machart und Veredlung werden hier acht Käsegruppen vom Frischkäse über Hartkäse bis zum Blauschimmelkäse vorgestellt. Dreh und Angelpunkt hierbei ist immer die Milch. Von wem stammt sie, Kuh, Ziege, Schaf oder gar Kamel, Rentier oder Yak. Wie wurden die Tiere gefüttert und welche Zutaten wurden bei der Käseherstellung verwendet? Nimmt man pasteurisierte Milch, thermisierte  Milch oder Rohmilch? Oder, was besonders abgefahren scheint, Käse, in dem Maden oder Milben bei der Entwicklung  bzw. Reifung mitgewirkt haben. Bei alldem gilt der Grundsatz,  Käse ist ein Kulturgut. Tradition muss gewahrt werden und erst die Veredlung macht aus einem guten Grundkäse einen vollendeten Käse. Hierbei spielen regionale Voraussetzungen eine entscheidende Rolle. So hat alleine Frankreich 32 an eine bestimmte Region gebundene Käsesorten, deren Herstellung an bestimmte Bedingungen geknüpft ist und einer Kontrolle unterzogen wird. Nachfolgend werden jeweils drei Käse einer bestimmten Käsegruppe vorgestellt. Um was handelt es sich bei diesem Produkt, wo kommt es her, welches sind seine Grundzutaten, wie wurde es affiniert und letztlich, was passt zu diesem Produkt bzw. zu was kann man es verwenden. Gerade dieses Kapitel ist überaus lesenswert und eröffnet dem Leser neue Erkenntnisse.

Wie wird man Affineur und was ist seine Aufgabe?

Ein Reblochon fermier, was hergestellt aus Rohmilch eigener Produktion bedeutet.In diesem kurzen Abschnitt erzählt Volker Waltmann, was  sich hinter der Bezeichnung Affineur verbirgt, wie sein Berufsweg und seine Ausbildung verlaufen sind. Ein Affineur versteht sich als Bindeglied zwischen den Käsebauern, den Käsern und letztlich den Konsumenten. Er bekommt den „Käserohling“ und begleitet, betreut selbigen von Kindheit an über seine Jugendzeit bis zum Erwachsenwerden. Dabei versucht er nicht nur die guten Anlagen des Rohlings zu erhalten sondern zu verbessern und weiter zu veredeln und letztlich zu genussvollem geschmacklichem Höhepunkt zu bringen. Selbstverständlich gehörte auch zu seinen Aufgaben, entsprechende Beratung rund um den Käse anzubieten.

Affinieren in Küche und Keller

Auf dreißig Seiten wird man eingeführt in die verschiedenen Techniken des Affinierens. Wie  kann man am Käseleben selbst teilhaben oder  es gar beeinflussen, entweder nur für ein paar Tage oder durch mehrere Lebensabschnitte hinweg. Hier beginnt der Teil des eigenen Tuns. Was ist eine Trocken- oder Feuchtaffinage? Wie versehe ich einen Käse mit einem Kräuter- oder Blütenmantel? Wie und mit was wasche ich einen Käse und wie konserviere ich ihn? Auf all diese Fragen gibt es die nötigen Antworten. Gut erklärt, mit hilfreichen Tipps, und in verschiedenen Schritten führt Waltmann den Leser durch das Einmaleins des Affinierens. Dabei dürfen natürlich Hinweise auf die Grundausrüstung eine Zutatenliste und die Erklärung verschiedener Techniken nicht fehlen. Auch wertvolle Informationen über die richtige Lagerung  und Haltbarkeitsdauer der Käse werden nicht vorenthalten. Dieser Abschnitt macht richtig Lust auf‘s Selbstversuchen.

Ideen und Rezepte

Jetzt kann man seine im vorigen Kapitel erlernten Fähigkeiten anhand verschiedener Rezepte selbst überprüfen und ausprobieren. Wie wäre es mit einem kreativ ummantelten Frischkäse mit  Zitronengrasschopf, oder darf es vielleicht ein Frischkäse mit Senfsamenschrot sein. Oder noch intensiver, ein Kräuter-Öl-Käse? Bei einem Weichkäse mit Kirsch-Nuss-Deckel, läuft einem beim Lesen schon das Wasser im Mund zusammen. Den Kreationen sind kaum Grenzen gesetzt.  Hier wird sogar das einreiben und massieren eines Weichkäses, schon vor dem Verzehr zu einem sinnlichen Genuss. Auch die Vorstellung einen halbfesten Schnittkäse in Weintrester (keinen Schnaps) einzulegen oder mit einem blumigen Heumantel zu versehen ist Vorfreude pur auf den anschließenden Genuss. Dieses Kapitel ist quasi die Vollendung von all dem was im Vorfeld behandelt wurde. Macht schon beim Lesen Riesenspaß!

Präsentation: Käse in der Nebenrolle

Für mich als Hobbykoch und weinaffiner Mensch von besonderer Wichtigkeit. Fragen wieviel Käse pro Person,  Esstemperatur, Schnitttechniken, Reihenfolge (bei einem Käse- Büfett)  werden im Vorfeld geklärt. Danach folgen die Vorschläge: Was passt zu welchem Käse? Dies geht über die Grundüberlegungen hinaus bis hin zu gezielten Empfehlungen, wie:  „Nur Rotweine zum Käse ist ein Trugschluss. Sie sind oft schwer, kräftig  und tanninhaltig und würden jeden leichteren Käse erschlagen. Weißweine begleiten den Käse in der Regel besser als Rotwein! Versuche haben ergeben, dass  zu 80% der Käsesorten Weißweine besser passen als Rotweine. Bestes  Beispiel: Münsterkäse und Gewürztraminer. Wichtig bei der Entscheidung ist, mit was wurde der Käse affiniert? Auch Früchte oder verschiedene Chutneys können prima zu Käse gereicht werden. Für Puristen reicht oft auch nur ein gutes Weißbrot.  

Genüsse mit Käse in der Hauptrolle

Wer kommt nicht bei einem köstlich Käsefondue  gustatorisch ins Schwelgen. Aber auch ein Gemüsesüppchen mit Käseschaumkrone ist sicherlich nicht zu verachten. Käsedesserts sind im ebenso im Angebot wie ein „Roher Obazda“ oder etwas feiner, eine Käsetarte oder Frischkäse in Limetten - Jus.  Rezepte dazu und vielen weiteren Variationen gibt es in diesem Kapitel. Weniger nahrhaft, dabei nicht unwichtig, das sich anschließende Glossar.

Fazit: 

Mit diesem Buch bekommt Käse eine ganz neue Bedeutung. Vom Einfachen zum Besonderen. Vom Nahrungs- zum Genussmittel. Mag der Weg dorthin auch manchmal etwas steinig sein mit vielleicht kleineren Misserfolgen beim Ausprobieren, so ist doch schon allein die Tatsache, dass man selbst Handanlegen kann und darf und danach den Erfolg genießen kann von unverkennbarem Wert. Also was hält einen davon ab, egal ob Mann oder Frau. Auf den Käse, fertig los. Dieses Buch ist Inspiration pur.
 
Text: Horst Kröber; Cover: Verlag; Fotos: Tanja Major
 
Affiniern, die Kunst der Käse-Veredlung
Volker Waltmann/Christine Schneider
Ulmer Verlag 10.10.2019
192 S., 87 Farbfotos, gebunden
ISBN 9783818608132
gedruckt: 29,95 €, E-Book: 22,99 €
 
Zum Affineur Volker Waltmann
Seit über 30 Jahren veredelt Maître-Affineur Volker Waltmann Käse. Das Sortiment in seinem Ladengeschäft "Käse-Ecke" in Erlangen umfasst rund 280 Käsesorten. Zu seinen Kunden zählen 3.000 Privatkunden und 1.500 Kunden aus der Spitzengastronomie.

 

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