Nur wenige Nahrungs- und Genussmittel haben den Weg in den Zitaten Wortschatz geschafft: Als da wären, in vino veritas, das ist nicht mein Bier, it is not my cup of tea, oder die sogenannte hen and egg question. Auch der Volksmund bedient sich ihrer… Da lachen ja die Hühner… Und anno 1493 erhielt das Ei einen ganz besonderen Ritterschlag.
Ei-ne Auszeichnung für den Entdecker Amerikas mit immerwährender Symbolkraft
Dass auch tief gläubige Herren in eine ungläubige Laune verfallen können, passiert selten. Aber in diesem Fall hat sich jene Laune quasi selbst ewigen Ruhm beschert. Eine Metapher hat sich, umgeben von einer Tischrunde aus weltlichen und geistlichen Herren, wohl auf ewig, das philosophische Hochadelsprädikat erworben: Das Ei des Columbus. Nach seiner Rückkehr des von ihm angesteuerten Kontinents stand Columbus dem Kardinal Montoya Rede und Antwort. Doch man zweifelte an Columbus‘ Worten und unterstellte ihm, dass auch jeder andere diese Reise erfolgreich zu Ende hätte führen können. Daraufhin lud der Entdecker die Runde ein, ein hartgekochtes Ei auf die Spitze zu stellen. Der Versuch misslang. Das Ei kullerte weg. Dann nahm der Conquistador ein Ei und knallte es hart auf die Tischplatte. Das Ei stand sicher. Dann Protest der mit am Tisch Sitzenden: Das hätte ja jeder gekonnt, so deren Einwand. Doch
Columbus konterte:
Ja, sie können es alle, aber ich habe es versucht, und ich habe den fremden Kontinent erreicht.
Das kleine und das große Ei -mal-Ei
Was war wohl zuerst da, das Huhn oder das Ei, oder umgekehrt? Philosophen und Denker seien beruhigt. ALLES HUHN bietet die Antwort, oder eher eine Antwort: Beide, das Ei und das Huhn. Und egal welchen Geschlechts, Henne und Hahn gehören zu den weltweit am weitesten verbreiteten Speisen. Sie füllen Kochtöpfe, Kasserollen, Grills und Bratpfannen. Hähne erleben oft das gleiche Schicksal wie Bullen, dann heißen sie eben nicht Ochse, sondern Kapaun. Hühner gehören ganz sicher zu den bekanntesten Fleischlieferanten aller Kontinente. Sogar in den nördlichsten Regionen flattern und gackern sie als Polar- oder Schneehühner über gefrorene Gewässer und verschneite Auen.
Global Food
Hühner sind sicherlich in aller Welt einer der beliebtesten Fleischlieferanten. Als Street-food, ebenso wie auf den Speisekarten von Nobelrestaurants. Starkoch Jamie Oliver veröffentlichte unlängst in einer großen deutschen Sonntagszeitung sein Lieblingsrezept. Huhn gefüllt mit Wurstbrät, angerichtet mit Kartoffeln, Pastinaken und Lauch. Und bitte bei aller Internationalität nicht vergessen: Der pränatale Aggregatszustand des Federviehs: DAS EI. Dessen bekannteste Grundfarben, weiß und braun, sind auf der Farbskala nicht alleine. Eine vielfältige und nuancenreiche, zartfarbene Palette ergänzt das Farbenspiel.
Ei, Ei, wie frisch bist du?
Wer es nicht ganz genau weiß, dem helfen die Autorinnen schnell auf die Sprünge, bzw. ins Wasser. Man lasse ein Ei vorsichtig in ein Gefäß mit kaltem Wasser gleiten: Sinkt es zu Boden, dann ist es frisch. Schwimmt es an der Oberfläche, dann ist es alt, denn die Luftkammer hat sich vergrößert und sorgt für den Auftrieb. Und noch ein Einfacher Test: Ei aufschlagen und das Eigelb betrachten. Bei frischen Eiern ist es gewölbt und das Eiweiß darum dickflüssig. Und last but not least: Man darf sich auch auf seine Nase verlassen, dann irgendwann fängt auch das frischeste Ei an höchst unangenehme Gerüche zu verbreiten Dann Ciao ovo.
Und wenn das Gelb des hartgekochten Eis einen grünen Rand aufweist? Kein Problem, auch hier wissen die Gabriele Halper und Irena Rosc Rat. Chemie ist angesagt. Im Eigelb ist Eisen enthalten, das mit den Schwefelverbindungen des Eiweiß reagiert. Die Empfehlung: Die Eier mit etwas weniger als 90° Celsius und auch nicht zu lange kochen. Dann kalt abschrecken. Adieu Du grüner Rand! Und außerdem sollten Eier nicht gewaschen werden, damit die Schale, die wie eine Schutzhülle wirkt, ihre Eigenschaft nicht verliert. Und nicht mit geruchsintensiven Lebensmitteln zusammen lagern.
Ei-ne Ei-gene Kulturgeschichte
Etwa 60 Milliarden wurden 2017 auf der Welt in die Nester gelegt. Eine fantastische Steigerung in den vergangenen 6.000 Jahren, denn solange kennt man die Teile mit der zerbrechlichen Schale schon. Oder etwa noch länger? Ja, genauso ist es, denn die Hühner sind genau genommen Nachfahren von Flugsauriern, die sich ebenfalls so vermehrten, wie ihre Nachfahren heute. Schon im alten Rom waren Hühner Nahrungsmittel der Oberschicht, und sie waren leicht zu halten, da sie anders als Schwein oder Rind, wenig Platz benötigten. Und das war auch später in den anderen Teilen wer Welt so, man konnte sie leicht und unkompliziert zu Markte tragen und zum Verzehr oder als freundlich gackerndes Haustier verkaufen.
Fröhliche Fastenzeit
Die tapferen Träger von Federkleidern hatten es sogar geschafft, das war so um das Jahr 1.000 n.Chr. der Fall, Mönche und andere strenge Katholiken zu einem schmackhaften und sündenfreien Fastenbrechen zu animieren. Denn das weiße Fleisch erklärten die Mönche mehr oder weniger eigenmächtig per selbstverfasstem Dekret zur erlaubten Speise. Vielleicht deshalb, weil es im Gegensatz zu Rind oder Schwein Gnade vor den Augen des lieben Gottes fand. Und hier kommt noch einmal die Chemie ins Spiel. Denn das weiße Fleisch enthält Kalium und Phosphor, das dunkle überwiegend Zink. Das gilt, so klären die Autorinnen auf, auch für die seltenen und alten Rassen, die heute eher von Liebhabern gezüchtet und aufgezogen werden, als da wären Salmtaler, Seidenhühner oder Blausperber. Hier lohnt sich nach Ansicht von Gabriele Halper und Irena Rosc ein Besuch beim Bio-Bauern, denn der garantiert für etwas, das heute eminent wichtig, ja fast unverzichtbar ist, eine artgerechte Haltung, kein Einsatz von Antibiotika, viel Auslauf und Licht, also die ganz besondere Freiheit.
Mehr als ein Aufklärungsbuch
Das Buch liest sich spannend wie ein Krimi, es ist lehrreich und klärt auf, über die Wunder der Natur namens Ei, Huhn und Hahn. Der Genießer und Feinschmecker, am besten jeder ambitionierte und interessierte Hühnerschmecker, sollte die Rassen übergreifenden Unterschiede kennen: Poularden, Kapaun, Stubenküken, Maishühner, und, egal für welches Hinkel man sich entscheidet, immer darauf achten: Bio-Bio-Bio! Über die Details gibt dieses wunderbare Buch Auskunft. Und auch dazu regen Gabriele Halper und Irena Rosc an: Versuchen sie die Innereien, wie Leber, Magen und Herz. Und sie wagen einen kulinarischen Streifzug in ferne Welten: Nach China, denn dort kommen Füße auf den Tisch in allerlei Zubereitungsformen. Hier halten sich die Autorinnen an eine ganz alte Regel: Probieren geht über Studieren.
Und die Federn?
Selbst den reichhaltig vorhandenen Federn, die in vielen Ländern einfach verbrannt werden, was die Umwelt belastet, kommt noch eine sinnvolle Weiterverwertung zu: Klein schneiden und in den Gartenboden oder den Blumenkasten auf dem Balkon einarbeiten. In den Federn ist
Keratin enthalten, wie etwa bei Hornspänen. Und noch etwas muss beachtet werden. Es geht dabei um Gesundheit und Genuss. Ganz gleich ob das ganze Federvieh oder Teile davon verzehrt werden, sofort nach dem Kauf ab in den Kühlschrank. Die Kühlkette darf auf keinen Fall unterbrochen werden und Hühnerfleisch nicht mit anderen Lebensmitteln zusammen lagern. Wenn man das Huhn zerlegt, dann darauf achten, dass Messer und andere Küchenwerkzeuge sorgfältig gereinigt werden und last but not least: Ob gekocht, gegrillt oder gebraten, anders als bei Schwein oder Rind, das Hühnerfleisch muss durchgegart sein.
Und jetzt?
Nehmen Sie dieses wahrhaft köstliche und von der Food Fotografin Luzia Ellert, so appetitlich und wunderschön bebilderte Buch zur Hand und Sie werden eine unbändige Lust verspüren, am liebsten alles nach zu kochen… Die 60 Rezepte und die vielen Bilder mit Anleitungen und mit seltenen Rassen und praktischen Anleitungen reichen für zwei Monate. Und dann wird Sie der Appetit schon wieder auf Anfang (ver)führen.
Text: Alexander Wischnewski; Bilder / Fotos: Verlag
Gabriele Halper & Irena Rosc
ALLES HUHN
Altes Wissen gelebt
Löwenzahn Verlag Innsbruck
240 Seiten, Festeinband
34,90 EUR in Deutschland und Österreich,
in der Schweiz 37,90 CHF
ISBN 978-3-7066-2651-4