Wild als Lebensmittel
In dem Kapitel „Wild als Lebensmittel“ beschäftigt sich Grimm kritisch mit den Begriffen „artgerecht“, „Vorurteilen gegenüber Wild“ und dem „strengen Wildgeschmack“. Er geht auf die Reifung von Wildfleisch ein und gibt Tipps zum Wildkauf. Der Beurteilung der Fleischqualität und deren Kontrolle ist ein weiterer Schwerpunkt, bevor es dann an die eigentliche Praxis, den Umgang mit den Wildtieren geht. Hierbei legt Grimm besonderen Wert darauf, dass das ganze Tier Verwendung findet. Es wird anhand verschiedener Wildarten die Verwendung deren Teilstücke einschließlich der Knochen in Bild und Text verdeutlicht. Kurz gesagt, was eignet sich zu welcher Verarbeitung. Tipps, wie man Wild richtig ausbeint und pariert, schließen sich an. Kurz behandelt wird auch, wie deren Fleisch konserviert (einfrieren, einkochen etc.) wird. All diese Informationen sind hilfreich, gut nachvollziehbar und eine gute Vorbereitung für das, was dann kommt: Die Rezepte. Bevor ich darauf eingehe einige Vorbemerkungen.
Vom Hochsitz bis in den Kochtopf: Alles aus einem Guss
So wie jeder Koch hat auch Fabian Grimm seinen eigenen Stil. Das ist auch gut so. Dieser richtet sich nicht immer nach dem Mainstream. Das fängt bei seiner Art, eine Brühe zuzubereiten, an und zeigt sich bei manch anderen kreativen Gerichten. Man sollte sich darauf einlassen, denn seine Begründungen, weshalb und wieso sind meist stichhaltig.
Welches Wild wie zubereitet wird folgt auf den nächsten 140 Seiten. Unterteilt ist dies in die einzelnen Wildarten wie: Rehwild, Damwild, Stockente, Feldhase und Schwarzwild. Doch auch hier begnügt sich Grimm nicht nur mit der Aneinanderreihung von Rezepten. Er lässt den Leser teilhaben an seinem ureigensten Jagderlebnis. Nimmt ihn mit auf die Pirsch, auf den Hochsitz, lässt ihn durchs Fernglas schauen, sich in Geduld üben, eintauchen in diesen Mix aus Erwartung, Jagdfieber, Verdrängen von Müdigkeit, bis es endlich zum entscheidenden Schuss kommt - oder auch nicht. Während der Leser ihn begleitet, erfährt dieser vieles über das zu jagende Wild, seine Eigenarten, Besonderheiten und Verhaltensweisen. Grimm schreibt realistisch ohne faulen Schmus und Jagdverklärung. Fakten pur! Eine gute Vorbereitung für die dann folgenden Rezepte.
Wildgerichte der etwas anderen Art.
Jedem Rezept sind in der Regel zwei Seiten gewidmet. Eine Seite ist dem Foto des fertigen Gerichts vorbehalten. Außerdem sind dort Zubereitungs- und Garzeit aufgelistet. Zutaten und die Zubereitung des entsprechenden Gerichts stehen auf der anderen Seite.
Daneben sind eingestreute Hinweise und kleine Infos überaus hilfreich. Wie schon erwähnt, gibt es bei Grimm keinen „klassischen „Rehrücken Baden Baden“, dafür aber Rehschulter mit Kirschen im Heubett“, „Rehrücken mit Mädesüßblüten“ oder für den, der es ganz archaisch liebt, „Carpaccio vom Rehfilet mit pürierten Waldhimbeeren“. Dass „Rehkeule mit Kaffee“ nichts zum Trinken ist, zeigt ein weiteres Rezept. Bei den Damwildrezepten hat mir vor allem die „Sülze“ richtig Appetit gemacht. Aber auch eine „Soljanka“ mit Stücken aus der Damwildschulter ist sicherlich nicht zu verschmähen. „Bierernst“ wird es mit einem „Hopfengulasch“, bei dessen Zubereitung dunkles Bier Verwendung findet. Bei einem „Steak-Burger mit Walnusspesto“ dürfte auch Vertretern der Burgerfraktion das Wasser im Mund zusammenlaufen, während bei einer „Damwild-Pho“ Suppe auch die Liebhaber der asiatischen Küche auf ihre Kosten kommen. Bei „Rouladen“ und einem Osso bucco wird‘s dann doch ein wenig klassisch. Eine gute Mischung. Leichter und filigraner wird es dann bei der Zubereitung von Stockenten. Ob „Ente mit Cognac-Butter“ oder ein „Feldsalat mit gebeizter Entenbrust und Orangenfilets“, alles ist gut nachzukochen, und deren Zutaten sind in der Regel überall zu bekommen. Dasselbe gilt für Gerichte vom Feldhasen. Deftiger wird es zum Schluss mit Rezepten für die Zubereitung von Schwarzwild. Aber auch hier wird der eigene Stil von Grimm sichtbar. „Wildschwein-Köttbullar“ und „Pepposo“ findet man sicherlich genauso wenig auf den nationalen Speisekarten wie ein „Whiskey- Wildschwein und Wildschweinschmalz“ oder ein „Wildschweinfilet mit Bergkäse und Steinpilzen“.
Fazit:
Ein Buch, das sich nicht zu schade ist, auch die archaischen Seiten der Jagd zu zeigen. Wo schon auf der Seite 3 das Jagdgewehr abgebildet ist, das Abhängen und Zerlegen der Tiere genauso zu sehen sind wie das Apportieren einer Stockente durch den Jagdhund, zeigt, wie authentisch und ehrlich das Anliegen Grimms ist, und wie er die Jagd versteht. Er gibt der Leserschaft tiefe Einblicke in das für manche doch etwas heikle Thema Jagd und „Tiere töten“. Gut, dass er dies aus der Schmuddelecke nimmt, und es als das beschreibt, was es ist. Seine Ehrlichkeit und Authentizität setzt sich dann auch bei den Rezepten fort. Eigenwillig aber immer Besonders! Ich bin mir sicher, das Nachkochen lohnt sich. Ein Wildkochbuch der etwas anderen Art, in dem auch die Bilder einen wichtigen Anteil zu dessen Qualität haben!
Text: Horst Kröber; Waldfoto: David J. Engel – Adobestock; über Fotos: Ulmer Verlag