Das Buch „Italia, Die Italiener und ihre Leidenschaft für das Essen“ von Elena Kostioukovitsch bewegt sich weitab vom üblichen Genre "Kochbuch". Schon im Vorwort von Umberto Eco ahnt man: hier geht es um mehr als das bloße Auflisten von Rezepten.
Bescheiden in seiner Aufmachung, kein aufmüpfiges Cover, keine farbigen Bilder, kein Food-Styling. Die schwarz-weiß Fotos passen daher ausgezeichnet, sind authentisch, egal ob landschafts- oder personenbezogen. Sie sind Teil dieses Buches. Für die Italiener ist Essen mehr als Nahrungsaufnahme. Es ist Lust und Lebensgefühl. Einfühlsam hat die Autorin diese Art zu essen und zu leben deutlich gemacht, in dem sie eine Wanderung durch die einzelnen Regionen Italiens unternommen, Land und Leute studiert und sich mit deren Sitten und Bräuchen auseinandergesetzt hat. Neben diesen „ Reisebeschreibungen“ geht der Blick von Kostioukovitsch, weit zurück in die Historie. Sie würzt ihre Impressionen mit Zitaten und spickt sie mit Anekdoten. Nie kommt bei der Lektüre Langeweile auf.
Sie versucht den Code zu entschlüsseln, der letztlich begreiflich macht, wie Essen, Trinken, Landschaft und Menschen zusammenpassen und sich gegenseitig bedingen.
Vom bergigen Friaul bis hin ins heißblütige Sizilien, nimmt die Autorin uns mit. Sie bindet deren Geschichte in ihre Beschreibungen ein, lässt ganze Regionen und deren Esskultur vor unseren Augen auferstehen.
Jeder Region ist ein einzelnes Kapitel gewidmet, in dem deren Historie, die gebietstypischen Gerichte, Produkte und Getränke, aber auch deren ethnische Besonderheiten vorgestellt werden. Auch Aussagen aus Essays, Romanen etc. berühmter Zeitgenossen, werden als Belege zitiert und lockern diese kulinarische Reise durch Italien wohltuend auf. 23 Seiten Bibliographie, ein 35 Seiten umfassendes Register und 19 Landschaftsbeschreibungen geben ein Zeugnis davon, welche Arbeit hinter diesem Buch gesteckt hat und wie viele Recherchen bis zur Fertigstellung nötig waren.
Neben diesen anschaulichen Landschaftsbeschreibungen gibt es auch Kapitel, die sich mit den unterschiedlichsten Themen befassen. Themen, die prägenden Einfluss auf die Entwicklung Italiens und seiner Menschen genommen haben. Da spielen Begriffe wie Totalitarismus, Juden und Demokratie ebenso eine Rolle wie mediterrane Ernährung, Olivenöl oder Slow Food als Resultat von Genuss und Lebensfreude.
Dabei zieht sich Essen und Trinken wie ein roter Faden durch dieses Buch. Der Leser erfährt Genaueres über die Zubereitungsarten von Fisch, Fleisch, Nudeln etc. Ein gesondertes Kapitel widmet sich den "Sacres", den regionalen Festen, bei denen bestimmten Produkten gehuldigt und dabei kräftig gefeiert wird. Des Weiteren erfährt man, wie politisch entscheidend die Zubereitung von Tortellini sein kann oder was es mit dem Fest der verlorenen Aromen auf sich hat. Nach der Lektüre wissen wir über die Geschichte des Carpaccio genauso Bescheid wie über Harrys Bar, der berühmtesten Bar Venedigs. Wir wissen, wer wann „Nutella“ kreiert und auf den Markt gebracht hat. Es wäre müßig, all das aufzuzählen, was dieses Buch zu etwas Besonderem macht. Es ist eine Fundgrube, ein Nachschlagewerk, wie es besser nicht sein könnte. Man ist ein Stück klüger nach jeder gelesenen Seite. Doch ist dies weit weg vom „Schulmeistern“. Dieses Lernen macht Riesenspaß. Erstaunen, Kopfschütteln, stets fließendes Mundwasser sind die Regel. Elena Kostioukovitch hat sich tief in die kulinarisch-historische Seele Italiens eingearbeitet und sie in unnachahmlicher Form dem Leser nahe gebracht. Mir wird dieses Buch, wann immer ich Italien besuche, ein wertvoller Begleiter sein.