Beim Gemüse ist es nicht viel anders als beim Fleisch. Vermeintlich Nutzloses wird verworfen. Genutzt werden nur die sogenannten „Filetstücke“. Dass es auch anders geht, beweist dieses etwas andere Kochbuch „Die ganze Pflanze“ von Susann Kreihe. „Ran ans Gemüse- mit Schale, Strunk und Stiel“, heißt es im Untertitel. Wie dies in die Praxis umzusetzen ist, beweisen 60 vegetarische und vegane Rezepte. Seit man weiß, dass Millionen Tonnen Lebensmittel einfach so weggeworfen werden, dass ein gesunder Mix aus Fleisch, Obst und Gemüse auf einen ausgewogenen Speiseplan gehört, dass Nachhaltigkeit, Regionalität und Saisonalität immer stärker in den Focus rückt, war es nur eine Frage der Zeit, wann ein solches Kochbuch auf den Markt kommt.
Text und Bilder aus einem Guss
Doch es geht nicht nur ums Kochen sondern auch um Aufbewahrung, Lagerung und nachhaltiges Einkaufen. Zusätzlich Infos liefern ein praktischer Saisonkalender und wertvolle Tipps für eine clevere Speisekammer. Aufgelockert und stilvoll bebildert wird der Text durch entsprechendes Bildmaterial, welches, dem Inhalt entsprechend, wohltuend und ohne große Effekthascherei anschaulich und naturalistisch daherkommt.
Fakten
Bevor es ans „Eingemachte“ geht, tragen Fakten dazu bei, sich über Sinn und Zweck dieser Art zu kochen zu informieren.
Hierbei stehen die Fragen:
- Wieviel Genießbares werfen wir weg?
- Wie weit ist der Weg des Produkts vom Feld auf den Teller?
- Was bedeutet „Regional“?
- Wie sieht es mit dem CO2 Abdruck aus?
Hilfreich dabei ist eine Tabelle mit den gängigsten Lebensmitteln.
Dass bewusstes Kochen auch klimafreundlich sein kann, beweisen zahlreiche Tipps. Auch bei dieser Form des Kochens steht Qualität an erster Stelle. Ratschläge wo man was bekommt, dürfen daher nicht fehlen. Bei manchen Lebensmitteln ist ein ganzheitliches Kochen nicht möglich. Bei welchen und warum, wird an den Beispielen Kartoffeln, Tomaten, Aprikosenkernen hingewiesen. Unter der Rubrik „Deine clevere Speisekammer“ erfährt der Leser wie man eine perfekte Vorratshaltung betreibt und wie es mit dem Einfrieren und haltbar machen der Produkte bestellt ist. Regionalität wird bei den Rezepten großgeschrieben. Wertvolle Hinweise wie man Exotisches durch Heimisches ersetzen kann dürfen daher nicht fehlen. Am Schluss der Faktenliste informiert ein Saisonkalender darüber, welche Produkte zu welcher Zeit angeboten werden.
Von Apfelessig bis Tomatenkernmarmelade
Die nun aufgeführten Rezepte sind außergewöhnlich. Basieren sie doch auf all dem, was ansonsten eher keine Verwendung findet. Das fängt bei den Apfelschalen an und hört bei den Tomatenkernen auf. Aber wenn man sich einmal eingelesen hat, erscheint einem Vieles schlüssig und durchaus nachvollziehbar. In der Regel wird jeden Rezept eine Doppelseite gewidmet. Die linke Seite ist dem eigentlichen Rezept vorbehalten. Übersichtlich und verständlich sind Zutaten, Zubereitung und Zubereitungszeiten, angegeben. Spezielle Tipps der Autorin zu den einzelnen Rezepten sind nützliche Infos. Die rechte Seite zeigt ein Foto des fertigen Gerichts bzw. Getränks. Positiv erwähnen möchte ich hierbei, dass auch bei der Zubereitung auf heimische Gewürze zurückgegriffen wird. Aus den vielen Rezepten möchte ich nur einige beispielhaft auswählen. Zum einen den Apfel, in den man natürlich als solchen mit Genuss reinbeißen kann, ob mit oder ohne Schale. Aber dass man aus seinen Schalen einen wohlschmeckenden Essig, ein zum Grillen oder zum Käse passendes Chutney, ein paar Apfelschalenchips oder ein fruchtig süßes Apfel-Minze-Gelee herstellen kann, eröffnet in der Tat ganz neue Perspektiven. Dies dürfte bei der „Aprikosenkern-Mayonnaise“, der „süßen Aprikosenmilch“ nicht viel anders sein.
Phantasie und Kreativität werden großgeschrieben
Was für das Obst gilt, ist auch bei den Gemüsen machbar. Auch hier werden Blätter und Strünke verarbeitet. So wird ein Blumenkohlstrunk zu einem wohlschmeckenden „Strunk- Bratling mit Goldhirse und Basilikumschmand“ verarbeitet oder eignet sich in einer deftigen Linsensuppe als Einlage. In vier Rezepten findet auch der Brokkolistrunk als Püree, zum Salat, als Falafel oder Crosstini, eine nützliche, Verwendung. Süß sauer eingelegte Fenchelstängel als Beilage zu Raclette, Käse oder Fisch, Karottenschalenküchlein mit einem Topping aus Honig, Anissamen und Frischkäse.
Erstaunlich vielfältig und wie die Zubereitungen zeigen, durchaus einfach und nachkochbar sind all diese Gerichte und weit weg von dem vordergründigen Denken“ Wie, das kann man auch essen?“ Erstaunlich zu was sich Kürbisschalen und -kerne, Kohrabiblätter oder Pastinakengrün verarbeiten lassen. So läuft einem beim Durchlesen der Rezeptur von „Gurkenkern-Minz-Lassi“ schon das Wasser im Mund zusammen. Für Smoothieliebhaber dürfte sicherlich eine Gurkenschalen-Limonade oder ein Smoothie aus Blumenkohlblättern, Birnenschalen und Feldsalat eine wahre Offenbarung sein. Oder wie wäre es, der Gesundheit zuliebe mit einem Tee aus den besten Resten. Frei nach dem Spruch von Wilhelm Busch „Wer Sorgen hat, hat auch Likör“, beschließt die Zubereitung eines „Amaretto- Likör aus den Kernen von Steinobst“ die Rezeptparade.
Fazit
Ein Kochbuch der etwas anderen Art. Es passt in die Zeit, in der Klima, saisonal und regional eine immer größere Rolle spielen. Der ganzheitliche, nachhaltige Ansatz sowie der Verzicht auf Exoten, ziehen sich wie ein roter Faden durch dieses Kochbuch. Erstaunlich was mit dem nötigen Wissen und gehörigem Einfallsreichtum dabei für Gerichte und Getränke herausgekommen sind. Alle sind es wert einmal ausprobiert zu werden. Hier wird deutlich, dass man aus dem was die Region einem bietet wunderbare Köstlichkeiten zaubern kann ohne Schnickschnack natürlich und ganzheitlich. Ein empfehlenswertes Buch nicht nur für Veganer und Vegetarier.
Horst Kröber
Susann Kreihe
Die ganze Pflanze
192 Seiten
Christian Verlag, München 2020
24,99 €
ISBN 9783959614115