Schwarzwald Reloaded – dem genießerischen Südwesten in den Topf geschaut
von 30 besten Köchen 90 neu interpretierte Schwarzwälder Rezept-Klassiker
https://bonvinitas.com/media/reviews/photos/thumbnail/780x560c/11/87/58/schwarzwald-reloaded-dem-geniesserischen-suedwesten-in-den-topf-geschaut-41-1581344012.jpgTradition und Innovation mit persönlicher Note
In „Schwarzwald reloaded“ von Ulf Tietge und Janina D`Aguanno kreieren 30 der besten Köche aus dem Südwesten Deutschlands 90 spektakuläre Rezepte; Tradition und Innovation, Sterneküche vom Feinsten, Ausgefallenes und Extravagantes, von köstlichen kleinen Häppchen bis hin zu schmackhaften Dessert – Variationen. Läuft einem schon beim Lesen der Rezepte das Wasser im Mund zusammen, so setzen die wunderbaren Fotos noch eins drauf. Ein Augenschmaus! Die persönliche Note bekommt dieses Buch durch die Kurzporträts der einzelnen Köche, sowohl bildlich als auch anhand eines kleinen Fragenkatalogs.
Wissenswertes und ausgefallene Zutaten
Kleine, farblich abgesetzte und mit „Gewusst?“ betitelte Absätze dienen nicht nur zur Auflockerung des Buches, sondern auch zur Wissensvermittlung einzelne Gerichte betreffend. In der Regel sind jedem Gericht zwei Seiten des Buches gewidmet. Eine Seite zeigt ein Foto des fertigen Gerichts, die andere ist der Zubereitung der Speisen vorbehalten. Alles ist übersichtlich und gut nachvollziehbar. Etwas Probleme hatte ich mit diversen Zutaten wie z.B. : Schwarzwald-Miso, Panko-Mehl, Bonito Flocken, grob gestoßener Urwaldpfeffer. Trimoline, Hoi Sin Soße, Muurikka-Fett, etc. Nicht nur, dass man diese sicherlich nicht in jedem Laden bekommen kann und das eventuelle Nachkochen erschweren; es hätte auch bei manchen einer kleinen Erklärung bedurft, um was es sich dabei handelt. Außerdem fiel es mir bei manchen Gerichten schwer, die Begriffe „Heimat“ oder regional mit ihnen zu verbinden. Dies ist aber nur ein kleiner Wermutstropfen, der den Wert des Buches nicht wesentlich schmälert.
Vesper einmal ganz anders
Denn was an Rezepten folgt sprüht vor Kreativität und Inspiration. Das beginnt schon bei den „Häpple“. Bekannt für die Vespertradition des Südwestens überschlagen sich die Köche mit neuen Ideen und Zusammenstellungen. 40 Seiten Genuss. „Dreierlei Wurstsalat aus dem Renchtal“ (der Klassiker im neuen Gewand), oder “Tacos und Sud vom Hanauer Huhn“ (Mistkratzerle auf mexikanisch). Auch Fischliebhaber kommen mit „Aalspießchen auf Tannenzweigen“ (Nordlicht trifft Schwarzwald) oder „Ceviche von der Forelle mit Tigermilch wie in Peru“ (Schwarzwald und die Anden in trauter Zweisamkeit). Auch „Griebenwurst-Ravioli“ und ein „Taubergießener Wa-Tan-Wels“ zeugen davon, dass die Köche über den heimischen Tellerrand hinausschauen.
Süpple in vielerlei Gestalt
Nicht für kalte Wintertage (wenn es noch solche gibt) sind Suppen eine wahre Wohltat. Besonders wenn sie in 11 Variationen so ausgefallen und exotisch daherkommen wie in diesem Kochbuch. Ein Karotten-Ingwer- Süpple“ mag an und für sich noch nichts Besonderes sein, aber wenn dann Kakao mit ins Spiel kommt, wird’s ein Knüller. Auch die giftgrüne „Suppe von grünen Erbsen“ dürfte mit Kaviar und Tatar von der Rauchforelle ihre Liebhaber finden. Ebenso ein „Schaumsüpple vom Topinambur mir Rahmkäs-Maultäschle“. Natürlich darf hierbei der Badenklassiker „Schneckensüpple“ nicht fehlen, hier mit Blätterteigkapuze und Schneckenspieß als Beilage.
Kräftig-deftig trifft zart und fein
Den größten Raum nimmt mit über 50 Seiten die Rubrik „Was rechts“ ein. Von deftig, kräftig bis fein austariert und filigran reicht hier die Palette. Frei nach dem Motto: Altbekanntes neu interpretiert. Wer möchte nicht einmal einen „Schweinebauch Low & Slow“ probieren, der 48 Stunden bei nur 64° C im „Sous-vide Beutel sanft im Wasserbad gegart wurde, oder sich an einer „Ochsenbrust nach Churrasco-Art mit Wiesenkräuter- Salsa und Feuergemüse“ gütlich tun. Wem das alles zu abgefahren klingt, der kommt mit „Eingemachtes Kalbfleisch mit Schnippelbohnen, Bauchspeck und Spätzle“ wieder zurück zu den Wurzeln. Ein wenig vegetarisch darf es dann mit einer „Königinpastete mit Steinpilzen und Nussbutter“ einem „ Gebratenem grünen Spargel mit Wachsei und Ziegenfrischkäse-Polenta“ oder einem Ziegenkäserösti sein. Auch an die Liebhaber des heimischen Wilds wird mit „Hirschragout mit Pfifferlingen, Preiselbeeren und Schupfnudeln“ oder „Maibock mit Mispeln“, um nur zwei Beispiele zu nennen, gedacht.
Ebbs Edles!
Edel sei der Mensch, hilfreich und gut, so Schiller, aber auch ein mit besonders viel Liebe, Können und Sorgfalt zubereitetes Essen kann etwas Edles sein. Acht kleine Kunstwerke dieser Art, zeugen von der außergewöhnlichen Kreativität der Köche. Davon zeugen „Roh marinierte Forelle mit Kräutern und Tomatensud“, „Huchentatar mit Röstzwiebelpüree“ oder Ein „Saibling mit Kohlrabi Schalotten und Rhabarber“. Völlig abgehoben, aber dadurch nicht weniger wohlschmeckend, ist sicherlich ein asiatisch angehauchter „Sauerbraten vom Wagyu Beef in Dim Sum“, der sage und schreibe in seiner Marinade zwei Tage lang einvakuumiert bei 58 Grad sous-vide gegart wird. Hochwertige Produkte aufwendig und kreativ zubereitet. Hier wird Kochen zur Kunst erhoben.
Vom Roscht
Dann allerdings wird es wieder deutlich archaischer mit Gerichten Vom Rost. Aber auch hier bewegt man sich weit weg vom einfachen grillen von Wurst oder Steaks. Hier heißt es auch nicht mehr Grill sondern „Beefer“. Aus selbigem kommt dann auch nicht mehr ein normales Steak sondern ein „Short Rib“ vom Angus Rind oder ein „Dry-Aged-Kotelett mit gegrillten Salatherzen und Speckdressing“. Etwas „dialektisch“ wird’s beim Grillgericht „Himmel un Ääd, auf gut badisch“ mit einem Schweinefilet mit Blutwurst und Äpfeln oder darf es vielleicht etwas weniger deftig sein bei einer „Hähnchenroulade mit Schwarzwälder Schinken und Pfirsichpolenta“. Der Laie staunt, was man alles heutzutage alles grillen kann.
So süß!
Alles hat einmal ein Ende. Aber auch ein Ende kann Spaß machen, wenn es so süß daherkommt wie mit einem „Lauwarmen Traubensalat mit Kaffee-Eis“ einer „Schafsmilch zum Knuspern“ oder, eine Homage an Omas Küche, „Griesschnitten mit Weinschaum und Rieslinggelee“. Ganz viel Heimat dann zum guten Schluss mit „Schwarzwälder Kirschdessert“, „Süßen Schupfnudeln“ oder „Bollenhut mit beschwipster Panna Cotta.
Fazit
Mit Freude habe ich dieses Buch vom Anfang bis zum Schluss regelrecht ausgekostet. Habe mich gefreut über die Kreativität der Köche und wieder einmal gemerkt, dass Kochen nicht nur das Herstellen von Gerichten ist, sondern Können und Hingabe mit mit Lust und Leidenschaft zum Beruf verbindet. Altbekanntes neu interpretiert. Sicherlich nicht für Jeden einfach nachzukochen aber sicherlich für jeden gedacht, für den Essen nicht nur simple Nahrungsaufnahme ist. Tolle Aufmachung, tolle Aufnahmen, viele neue Erkenntnisse und neu entfachte Lust auf gutes Essen. Was kann man von einem Kochbuch mehr erwarten.
Text: Horst Kröber. Abbildungen: PR Verlag