Das weiblich-männlich Ampelsystem
Ein Ampelsystem erleichtert den weiblichen wie männlichen Genussmenschen die Vorauswahl. Mit mehr als den drei Ampellichtern, aus dem Straßenverkehr. SIMPLE hat doppelt so viele. Sie signalisieren:
Zunächst Literaturwissenschafter
Yotam Ottolenghi ist heute einer der erfolgreichsten Köche in seiner zweiten Heimat Großbritannien. Er wurde als Sohn einer Deutschen und eines Italieners in Jerusalem geboren. Er studierte Philosophie und Literatur in Tel-Aviv und hat den Master in Vergleichender Literaturwissenschaft. Anno1997 übersiedelte er nach London, absolvierte die Kochschule Cordon Bleu und startete zunächst als Pâtissier. Heute ist er Eigentümer und Koch im Londoner Restaurant Nopi und besitzt vier Spezialitäten Läden in London.
Zugleich Neues aus der mittelöstlichen Region
Ottolenghi führt in SIMPLE seine Leserinnen und Leser an Speisen, Zutaten und Gewürze der mittelöstlichen Region heran. Er erklärt und schwärmt von den typischen, aber längst nicht überall bekannten Gewürzen oder Zutaten des mittleren Ostens und gibt Empfehlungen weiter. Ich persönlich mag…und dabei berichtet er auch über die Alternativen, die ihm persönlich nicht so schmecken. In seinem gelben Buch bietet Ottolenghi außerdem Menüfolgen an, wie man einen attraktiven Brunch gestaltet oder ein Festessen.
So kommt die Lust am Kochen
Das sind zunächst nur Empfehlungen, allerdings so beschrieben, dass unverzüglich die Lust am Zubereiten und Variieren bei der Bruder- und Schwesternschaft der Genussmenschen geweckt wird. Das ist OK und hat nichts Indoktrinierendes und lässt allen Hobbyköchen die Wahl, die dann auch keine Qual sein wird. Allenfalls eine Prise Qual, um in der Gourmet Terminologie zu bleiben. So das Beispiel, unter der Rubrik Gegartes Gemüse: Pilze und Maronen mit Za’atar, Die Autoren schaffen Klarheit. Da wäre zunächst Za’atar. Dabei handelt es sich um eine grüne Gewürzmischung, die aus getrockneten und zerriebenen Blättern des Syrischen Ysops, Sesam, Sumach und Salz besteht. Surmach ist ein dunkelrotes Pulver, das aus den getrockneten und zerstoßenen Blättern des Färberbaumes (Gerber-Sumach), die zitronenartig schmecken. Es lässt sich zum Würzen vieler Spesen verwenden. Vor allem zu Eiern, aber ebenso gut verleiht es gegrilltem Fleisch, Fisch und Gemüse attraktive Geschmacksnuancen Sumach kann sowohl in reiner Form über eine Speise gestreut werden. Es kann aber auch mit Öl verrührt Dressings und Marinaden aufwerten. In jedem Fall ist es ein Geschmackserlebnis. Ob zu Lammfrikadellen oder als natürliches Aroma in Joghurt gerührt. Zwischen den Rezepten und de Empfehlungen Ottolenghis entsteht eine Art kulinarisch-intellektueller Pendelverkehr. In dem Rezept Tomaten mit Sumach-Zwiebeln und Pinienkernen führt er, ein altes und offenes Kochgeheimnis ins Feld: die Hände sind ein zweiter Kochlöffel. Man darf sie getrost zu Hilfe nehmen. So vermerkt Ottolenghi: In die in Scheiben geschnittenen Schalotten muss das Sumach mit den Händen kräftig einmassiert werden. Dann wird die Mixtur mit Essig und Salz verfeinert, durchgemischt bis nach etwa einer halben Stunde die Aromen miteinander harmonieren. Apropos Hände, die Zweite: Die Tomaten für dieses Rezept setzt Ottolenghi ebenfalls einem Drucktest aus. Die Früchte müssen so weich sein, dass, wenn man sie mit den Händen quetscht, der Saft aus den Tomaten perlt.
Das Za’atar kann ohne Not andere arbeitsaufwändiger herzustellende, aber vom Geschmack her ähnliche Gewürzmischungen ersetzen. Das Geschmackserlebnis ist ähnlich. Hier geht um Weißes Bohnen Püree mit Muhammara. Das ist ein levantinischer Dip aus roten Paprikaschoten und gehäuteten Walnüssen. Die Herstellung von Muhammara erfordert etwas Geduld und die Einhaltung der Garzeiten, wie etwa das Vorheizen des Backofens auf 220 °Celsius bei Umluft. Die Temperaturangaben stehen bei den warmen Gerichten immer an erster Stelle. Daher auch bitteschön besondere Aufmerksamkeit, dass weder die Knoblauchzehen, noch die Paprikaschoten zu braun werden. Das Pürieren der Paprikaschoten mit dem Knoblauch und den Thymianblättern, Paprikapulver, Chiliflocken, Essig, Walnüssen und einem halben Teelöffel Salz sollen grob püriert werden. Ottolenghi gibt Empfehlungen für diejenigen, die an manchen Tagen wenig Zeit haben, denn Za’atar lässt sich schneller und besser vorbereiten und im Kühlschrank längere Zeit aufbewahren, als Muhammara.
Wie vielseitig die Geschmacksbreite von Sumach und wie vielseitig es somit verwendbar ist, beschreibt Ottolenghi, wenn es um Lammfrikadellen mit Pistazien und Sumach -Joghurt geht. Und auch hier lässt er den Hobbyköchinnen und -köchen ausreichend Gestaltungsspielraum, was die Menge der Frikadellen und die Joghurt Sauce anbetrifft. Vorbereiten ist auch Vorrat halten, denn die vorgebratenen kleinen Fleischklopse, schmecken auch nach einem Tag genau so gut, wie am Tag ihrer Herstellung. Vor dem Servieren aufwärmen und die Frikadellen erwachen zu neuem Leben bei allerbestem Geschmack. Das gilt ebenfalls, für den Sumach-Joghurt.
Und ein kulinarischer Reiseführer
Das Buch mit der Zitrone ist ein kulinarischer Reiseführer durch die Geschmacks-Koordinaten des Mittleren Ostens. Überall möchte man verweilen, ausprobieren, kosten und genießen. Mit allen Sinnen. Vielleicht bittet Ottolenghi ja die verfeindeten Parteien zum Friedensmahl und entlässt sie erst wieder, wenn sie Frieden schließen, und den als krönenden Teil des Mahles akzeptiert haben. Ohne Wenn-und-aber.
Der Wettstreit der Rezepturen ist in jedem Fall die einzig vernünftige Alternative. Der Volksmund, der allzeit kluge Berater, sagt doch: Wo man singt, da lass‘ Dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder… und davor tafeln sie… gemeinsam.
Text: Alexander Wischnewski. Abbildungen Cover und Innenseiten: PR DK Verlag