Mit euphorischen Berichten, kaum dass die ersten Trauben gelesen wurden, sind wir vorsichtig. Auch Statistiken über die Gesamterntemenge sagen nicht viel – allenfalls über die zu erwartende Preisentwicklung. Viel interessanter ist die Charakteristik des Jahrgangs. Was hat das Wetter bewirkt? Wie schmecken die Weine? Was könnte man vielleicht sammeln und zurücklegen?
Große Winzerbefragung
Nun, da die Lese bis auf einige edelsüße Tropfen oder warten auf Eiswein abgeschlossen ist, und die Jungweine weitgehend vergoren sind, kann man mehr über den Charakter des Jahrgangs sagen. So haben wir viele Winzer befragt:
Große Zufriedenheit über den Jahrgang – vom trockenen Sommer geprägt
Bekanntlich war das Jahr 2015 von großer Trockenheit und Wärme geprägt, die beginnend von Februar bis heute – Mitte November – anhält. Eine kurze Entspannung mit Regen brachte der August, jedoch nur nördlich der Mainlinie, und der September im Westen vor allem im Weinbaugebiet Mosel mit der zugehörigen Saar. Allgemein herrscht bei den Winzern allergrößte Zufriedenheit, und wenn die Entwicklung der Weine so weitergeht, wird es wohl ein ganz großer Jahrgang werden. Man ist sich einig, dass die Trockenheit bei dem, was sich nun im Fass zeigt, nicht geschadet hat. Ältere Reben, die tief wurzeln, konnten genügend Feuchtigkeit ziehen. Wässern musste man weitgehend nur junge Anlagen, die noch flacher wurzeln sowie in trockenen Steilhängen, wo die Winzer zusätzlich die Trauben reduzieren mussten, damit die Feuchtigkeit ausreicht. So lag die gesamte Menge leicht unter Durschnitt. „Dass Wein ein Naturprodukt ist, haben wir auch in diesem Jahr wieder sehr deutlich zu spüren bekommen. Jedoch verkrafteten Altanlagen dieses Wüstenklima relativ gut“, fasst es das
Fürstlich Castell’sche Domänenamt aus Franken zusammen. Im nahen Kitzingen hatte man im Juli immerhin 40,3° C gemessen.
Wider Erwarten genügend Fruchtsäure – frühe Lese war wichtig
Die allgemeine Befürchtung, dass die Wärme und Trockenheit die Säurewerte zu sehr drückt und den Weinen dann Finesse und Spritzigkeit fehlt, hat sich nicht bewahrheitet.
Ferdinand Kögler aus Eltville, Rheingau meint: „Die Trockenheit hat keinen großen Einfluss gehabt.“ Diese führte zu einer frühen physiologische Reife, wie Sibylle Studier vom
Weingut Studier in Ellerstadt, Pfalz, betont, und so begann die Lese vor Mitte September ganz außergewöhnlich früh, vor allem weil man die Säure erhalten wollte. „Die Lese verlief absolut atypisch. Diesmal waren die Qualitätsbetriebe die ersten im Weinberg“, verraten Barbara Roth und Thorsten Ochocki vom
Weingut Wilhelmshof in Siebeldingen, ebenfalls Pfalz. „Die Säurewerte liegen wider Erwarten in einem sehr passablen Bereich. Verantwortlich dafür sind wohl die kühlen Nächte in der Reifphase“, betont Otto Schenk vom
Winzerhof am Spielberg in Randersacker, Franken, und „die Säurestruktur ist genau ausreichend“, fügt das
Weingut Peter Schreiber aus Gundheim, Rheinhessen, erfreut hinzu.
Sehr gesunde Trauben – Spontangärung möglich
Allgemein gelobt wurden die sehr gesunden Trauben. So wurde es mit dem trockenen Wetter und den kühlen Nächten „dann ein entspannter Herbst, der rund vier Wochen dauerte“, wie Christopher Franz vom Weingut Franz in Appenheim, Rheinhessen, mitteilt, der Zeit ließ, vieles optimal in Ruhe weitgehend von Hand in oft mehreren Durchgängen einzubringen. Der Schädlingsbefall war durch die Trockenheit ebenfalls gering, so dass Spontangärung möglich war: „Bedingt durch besonders gesundes Lesegut haben wir uns für einen Großteil unserer Weine für Spontangärung entschieden“, so das Weingut Emmerich, Iphofen, Franken. Spontangärung meint, dass keine Reinzuchthefen zugegeben werden, sondern der Winzer auf den natürlichen Gärbeginn setzt.
Kleinere Beeren – viel Aromen
Ecovin, der Bundesverband ökologischer Weinbau, spricht von weithin kleinbeerigeren Trauben. Zusätzlich waren die Schalen eher relativ dick, wie das
Weingut Frédéric Fourré in Radebeul, Sachsen, hinzufügt. Gepaart mit den kühlen Nächten mit relativ geringer Luftfeuchte „konnten sich die Aromen in den Beeren perfekt entwickeln“, so das
Weingut Juliusspital in Würzburg. „Die Jungweine präsentieren sich von komplexer Mineralität“, teilt das
Weingut H.J. Kreuzberg von Ahr mit, und mit sehr komplexen Fruchtaromen, wie das
Weingut Hubertushof in Lieser an der Mosel bestätigt.
Große Harmonie - höhere Alkoholwerte gut in Frucht und Säure eingebunden
Die Wärme bescherte recht hohe Öchslewerte. Der
Weinhof Martin in Eltville-Erbach, Rheingau, meldet zwischen 85 und 100°, was vielfach bestätigt wurde. „Der deutliche Alkoholgehalt ist gut durch die höheren Säuregehalte integriert“, meldet das
Weingut Reiss aus Würzburg und
Alexander Laible aus Durbach in Baden pflichtet bei und bringt es auf den Punkt: „Dank unserer vorsichtigen Entblätterung haben wir schöne Säurewerte erzielt, und die Mostgewichte lagen im Durchschnitt bei 95° Öchsle. Wir achteten darauf, dass sie nicht zu weit nach oben gingen, weil mir der Trinkspass wichtiger ist, als Öchsle. So zeigen sich die werdenden Weine sehr aromatisch mit feiner Mineralik.“ Befragt nach der Harmonie lautet die Antwort des
Weinguts Fritz Walter in Niederhorbach, Pfalz, einfach kurz und knapp: „Klasse!“
Summa summarum und was vielleicht sammeln und zurücklegen? Es bahnt sich ein großer Jahrgang an, ganz besonders ein Rotwein- und Rieslingjahr - sowie Edelsüße!
"Sortentypisch, gute Kraft, hochqualitativ", fasst das Weingut
Freiherr von Gleichenstein im badischen Oberrotweil das Urteil über seine diesjährigen Jungweine zusammen. „Für Rotwein wird es ein Traumjahrgang“, wie sich Kellermeister Sebastian Klohr von der
Winzergenossenschaft Weinbiet in Neustadt-Mußbach, Pfalz, freut, und mit großer Farbintensität, wie das
Weingut Zehntkeller aus Iphofen, Franken, beipflichtet. Das
Weingut Fürst Hohenlohe Oehringen bezeichnet sie gar als Dunkelrotweine. Zu Recht spricht das
Domdechant Werner’sche Weingut in Hochheim, Rheingau, wohl von einem großen Jahrgang und berichtet, dass auch eine Beerenauslese mit 140° und eine Trockenbeerenauslese mit 175° Öchsle eingebracht werden konnte, Weine, die über Jahrzehnte heranreifen und zum großen Genuss werden. „Der 2015er überflügelt die Spitzenjahrgänge 2003 und 2009 und 1976“, freuen sich die Bergsträßer Winzer und das
Weingut Hans Wirsching, ebenfalls in Iphofen, lässt verlauten: „Der 2015der reiht sich in so große Jahrgänge wie 1959 und 1971 ein.“
Beim Verkosten und Einkaufen würde ich vor allem darauf achten, dass die Weine nicht zu alkoholbetont sind und eine belebende Fruchtsäure aufweisen. Wenn sie dann noch von der Aromatik und Mineralität gehaltvoll, harmonisch und nicht extrem trocken sind, dürften sie ein sehr gutes Alterungspotenzial besitzen und sich wunderbar entwickeln, was insbesondere für die Rotweine gilt, die etwas mehr Alkohol gut vertragen. Vor allem dürfte es ein wunderbares Rieslingjahr werden. Viele meldeten über 90° Öchsle, was für Riesling viel ist. Und da Riesling ohnehin zu höheren Säurewerten neigt, dürften wir großartige harmonische Rieslinge ohne das Zuviel an Alkohol bekommen. Nach Lage der Dinge dürfen wir erwarten, dass solche Weine, wenn man ihnen einige Jahre Zeit gibt, zu einem Gedicht heranreifen, Weine, die den internationalen Ruf und die Charakteristik deutscher Weine begründet haben und dies mit dem Jahrgang 2015 weiterhin tun dürften. Mit den von vielen gemeldeten 65 Liter/Ar bei guten Qualitäten ist die Menge zwar leicht unter Schnitt, aber nicht wirklich knapp. Es lohnt sich also zuzuschlagen.