Das zentrale Sardinien entdecken

Die Weine, die Natur, die Kultur – das Mandrolisai

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Von  7836
Reben in der zentralen Region Mandrolisai. Im Hintergrund Berge des Gennargentu Gebirges, das sich bis über 1.800 m erhebt.
Natur, Natur, Natur – vom Tourismus noch kaum berührt, dünn besiedelt jedoch mit liebenswürdigen, sehr freundlichen Menschen, wo man als Besucher noch echt Gast ist, so erlebt man die zentrale Region Sardiniens, das Mandrolisai.
Paolo Savoldo, Cantina Fradiles, Atzara.
Paolo Savoldo mit einem seiner uralten Rebstöcke.
 

Womit wir auch gleich beim Wein wären, denn der Name steht zugleich für eines der 17 DOC Gebiete Sardiniens. (DOC: Denominazione di origine controllata, was unserem Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete, wie z.B. Baden oder Pfalz entspricht – europäisches Weinrecht!) Es ist kein geschlossenes Weinbaugebiet, wie man sich das vielleicht vorstellt, sondern die Rebflächen finden sich zerstreut eingebettet in die trockene Landschaft, die neben viel freier Natur vielfach aus Korkeichen und Olivenbäumen besteht.

Das Mandrolisai und der Cannonau

Mit DOC Mandrolisai sind auch die Sorten festgelegt. Die Rotweine müssen mindestens zu 35% aus Bovale Sardo, zu 20–35% aus Cannonau und zu 20–35% aus der Sorte Monica gekeltert sein. Maximal dürfen 10 % autochthone Sorten enthalten sein. Meist sind die Rebflächen, zumindest die älteren, im gemischten Satz gepflanzt, was heißt, dass die Sorten gemischt durcheinander wachsen. Cannonau ist identisch mit Grenache oder spanisch Garnacha, der vierthäufigsten Rebsorte der Welt. Wie neuere Forschungen belegen, stammt diese weltweit verbreitete und wichtigste Sorte der Insel ursprünglich aus Sardinien, worauf die Sarden natürlich stolz sind, und wurde von den Spaniern für sich entdeckt und weiter verbreitet. Denn in ihrer sehr wechselvollen Geschichte wurde die Insel von vielen Fremden beherrscht und besiedelt, angefangen von den Phöniziern über die Karthager, Römer, Spanier, Staufer, Pisaer, Savoyer, um nur die wichtigsten zu nennen. Autonome Zeiten währten nur kurz, und die Küsten litten unter Überfällen der Araber. Der dem Herrscherhaus Savoyen entstammende Viktor Emanuel II. wurde 1861 König des geeinten Italiens, wozu er „sein“ Sardinien mit einbrachte.
Cantina Bingiateris, links Mitinhaber Gigi Cau, der nicht nur in der Cantina sondern in der öffentlichen Beratung eine der wichtigsten Triebkräfte der Region darstellt. Rechts: Kellermeister  Antonello Tatti.
Beim Empfang in Atzara vorgestellte Weine von links: Le alte Terre der Cantina de Mandrolisai; Fradiles; Lollòre der  Cantina Bingiateris.

Territori del vino e del gusto

Eingeladen zu dieser Reise hatte „Territori del vino e del gusto“, das seinem Namen alle Ehre macht und mit sieben Events in 2017 verteilt über die besten Wein- und Speiseregionen Sardiniens diese vorstellt. Ich durfte an der Vorstellung in Atzara im Mandrolisai teilnehmen. Dahinter steht das italienische Landwirtschaftsministerium und die autonome Region Sardinien insbesondere mit der öffentlichen landwirtschaftlichen Beratung Laore in Cagliari, die nicht nur Region und Weine bekannt machen möchte, sondern auch die Winzer berät und Schulungen durchführt, um die Weinqualitäten zu steigern, was bei einer ganzen Reihe engagierter Winzer sehr gut gelungen ist. Werden in älteren Kommentaren Mandrolisai Rotweine noch als rustikale Landweine beschrieben, so gibt es heute Cantinas, die sich im Rahmen internationaler guter Rotweinqualitäten keinesfalls verstecken müssen, wovon ich mich im Rahmen eines Empfangs mit Menü – bereitet von Michelin-Stern-Koch Roberto Petza (dazu unten mehr) – und Weinverkostungen sowie Besuchen von Cantinas und weiteren Weinproben überzeugen konnte.

Cantina Fradiles

Wir besuchten unter anderem die Cantina Fradiles außerhalb von Atzara. Paolo Savoldo, der das Weingut leitet, hat es bis zur Erwähnung im bekannten italienischen Weinführer Gambero Rosso gebracht und dort schon mehrfach zwei „Bicchieri“ (Gläser, deren höchste Stufe drei sind.) ergattert. 14 Hektar werden auf Granitverwitterung und sandigen Böden bewirtschaftet, biologisch, ohne Einsatz von Herbiziden oder Pestiziden. Etliche seiner Rebstöcke sind 80 bis 100 Jahre alt, von denen er lediglich um 20 bis 25 dz/ha erntet, was ca. 1.500 Liter Wein entspricht. Den gemischten Satz behält er bewusst bei. Die Cantina ist eine Familiengemeinschaft. Die Besitzer der durch Erbteilung zersplitterten Flächen haben sich wieder zusammengetan und Savoldo die Leitung der Cantina übertragen. 

Die Vertretrer der Meana Terra del Mandrolisai, die beweisen, dass auch kleine Winzer große Qualitäts-Fortschritte gemacht haben.
Bild des in Atzara geborenen Malers  Antonio Corriga, der zu bedeutendsten Sardiniens zählt.
Sehr gut gefallen hat mir sein Rotwein: Istentu 2013 DOC Mandrolisai, Fradiles: Im Duft Cassis, Leder, Bitterschokolade, Kaffee; auf der Zunge ein großer Rotwein, füllig, samtig, rund, der im Finish schön zwischen Frucht und reifen Tanninen balanciert. Im Rahmen des genannten Empfangs wurde sein ebenfalls roter Fradiles 2015 DOC Mandrolisai vorgestellt, zu dem ich notiert habe: Fülliger Duft mit Noten von Kirschen, roten Johannisbeeren sowie Johannisbeergelee; kräftiger Körper mit Toastnoten; reifes nicht zu gerbstoffreiches fruchtiges Finish, ein sehr schöner Tropfen, der gut zum Essen mit dunkler Fleisch passt und auch etwas kühler getrunken werden kann. Ein  netter kräftiger Weißwein ist sein Funtanafrisca mit feinem Bukett und gepflegtem Finish, den er produziert, weil er selbst gerne Weißwein trinkt.

Cantina Bingiateris

Ebenso besuchten wir die Cantina Bingiateris in Ortueri, gleichfalls Mandrolisai. Beide genannten Orte zählen zur offiziellen Verwaltungsprovinz Nuoro. Die Cantina wurde von sieben Freunden neu gegründet, die alle keine Winzer sind, sondern gut bürgerliche Berufe ausüben, wie Arzt oder Ingenieur. Einer der Haupttriebkräfte, nicht nur von Bingiateris sondern auch der Region und deren Weine, ist Gigi Cau, der auch bei Laore eine verantwortliche Stelle bekleidet. Man hat schon viel investiert und als Kellerei eine ehemalige Korkfabrik übernommen und renoviert. Als Kellermeister fungiert Antonello Tatti. Die Weine können sich absolut sehen und noch besser schmecken lassen.

Schon im Rahmen des genannten Empfangs wurde ihr Rotwein Lollòre 2013 DOC Mandrolisai vorgestellt: Schwerer Duft mit Barriquenoten, Vanille, Leder, Bitterschokolade, alles schön eingebunden und unterlegt mit einer interessanten Minznote; auf der Zunge maskulin doch gut balanciert mit reifen gut eingebundenen Tanninen im Finish. Ich konnte auch einen jungen, schönen reinen Bovale aus dem Fass probieren, der dort noch drei Jahre zu reifen hat. Großartig war der Lollòre 2011 DOC Mandrolisai, der bewies, welches Potenzial in diesen Weinen steckt.

Kreation mit Leber und Kutteln in Teig von Michelin-Stern-Koch Roberto Petza.
Der sardische Michelin-Stern-Koch Roberto Petza, der aus der heimischen Küche raffinierte Kreationen entwickelt.
Das 4-Sterne-Hotel Sa Murava Funtana Rubia in Aritzo.

Cantina del Mandrolisai

Dies ist eine Winzergenossenschaft in Sorgono, die schwere Zeiten überstanden, aber den von Gigi Cau und Laore propagierten Qualitätsweg mitgegangen ist und so die DOC Qualifikation erhalten hat. Beim Empfang vorgestellt wurde ihr roter Le Alte Terre DOC Mandrolisai zu dem ich notiert habe: Kommt einem im Duft sehr entgegen, mit Noten von Schattenmorellenkompott, Heidelbeeren; auf der Zunge kräftig mit Biss zum Nachkauen; fülliges, schweres Finish.

Atzara – der abendliche Weinmarkt

Im Rahmen von Territori del vino e del gusto erlebten wir in Atzara am Abend einen öffentlichen Straßen-Weinmarkt mit weiteren regionalen Produkten, wo auch Weine kleinerer aufstrebender Winzer zu verkosten waren. Marco Demuru aus Meana Sardo stellte einen frischen, heiteren Rosé vor sowie einen 100% Cannonau, der sich rund, füllig und sehr gut probierte. Die Meana Terra del Mandrolisai ebenfalls aus Meana Sarda bewies, dass auch kleinere Winzer große Qualitäts-Fortschritte gemacht haben. Gut gefallen hat mir ihr roter Parèda 2015 DOC Mandrolisai: feines Bukett mit Noten von Kirschen, auf der Zunge alles, was ein guter Rotwein haben muss; geschmeidiges Finish – sehr gut! Schön war auch sein Parèda I.G.T. (geschützte geografische Angabe – Landwein) Isola die Nuraghi, ein runder fülliger Rotwein.

Auf dem abendlichen Markt waren auch gute Gewächse anderer Regionen Sardiniens zu verkosten. Die wichtigste Weißweinsorte Sardiniens ist der Vermentino. Der im Nordosten in der Region Gallura gewachsene darf sich unter bestimmten Kriterien sogar DOCG nennen, der höchsten Stufe der Weinqualität Italiens (Denominazione di Origine Controllata e Garantita). Es waren einige ausgezeichnete Vertreter zu verkosten, von denen ich den Lumenera Vermentino DOCG der Vini e Locanda Murales in Oblia nennen möchte: Im Duft Noten von Blütenhonig und grünen Bohnen; auf der Zunge blitzsauber, kräftig, füllig, was sich im Finish fortsetzt. Die Terroirs sind Granit. Und noch einen großartigen Rotwein aus dem Süden der Insel möchte ich erwähnen: 2013 Terre Brune, Carignano del Sulcis DOC Superiore, der Cantina Santadi, einer großen Winzergenossenschaft im gleichnamigen Ort, gekeltert hauptsächlich aus Carignano, einer ebenfalls wichtigen Rotweinsorte Sardiniens, die auch in Südfrankreich wächst und dort unter Carignan bekannt ist: Schwerer Durft mit Noten von Teer und Leder; auf der Zunge wunderbar ausgewogen, mit großartigem Finish mit kräftigen, reifen Tanninen.

Atzara – Kultur

Atzara bedeutet nicht nur Wein, sondern auch die Kunst der Malerei. Vor rund 100 Jahren trafen spanische Künstler in Rom auf eine Schauspielertruppe aus Atzara. Neugierig geworden reisten sie mit dorthin, und sie blieben. So begründete sich die Atzara-Schule, und der kleine Weinort bietet heute sogar ein kleines Museum der Gegenwartskunst. Später folgte der in Atzara geborene Antonio Corriga (1923 bis 2011), der zu den bedeutendsten und bekanntesten Malern Sardiniens zählt. Sein Haus wird heute für öffentliche Empfänge der Kommune genutzt. 

Wo gut essen und wohnen

Wer in die Gegend reist kann auch gut speisen und wohnen. Im etwas südlich des Mandrolisai gelegenen Ort Siddi verwöhnt Roberto Petza (schon oben erwähnt), der einen Michelin-Stern trägt, die Gaumen mit raffinierten Kreationen, die er aus heimischen Gerichten entwickelt. Ristorante S’Apposento nennt sich seine „Herberge“ im sardischen Stil. Schön und gepflegt wohnt man im Vier-Sterne-Hotel Sa Murava Funtana Rubia im von Atzara aus Richtung Gennargentu Gebirge auf über 800 m Höhe gelegenen Luftkurort Aritzo.

Dieter Simon, Chefredakteur und Herausgeber bonvinitas; Fotos: bonvinitas, Hotelbild PR

 
Sa Murava Funtana Rubia
Aritzo
Italien
  • 4 Sterne



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