Der Jahrgang 2019: extraktreiche Weine mit sehr harmonischer Säure
geringerer Ertrag, doch Winzer mit guten Qualitäten entschädigt und sehr zufrieden
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Baden
Kellermeister Valentin Wagner vom Winzerverein Meersburg am Bodensee lobt seine typischen Müller-Thugau: „Das Wetter in der Lese war sehr durchwachsen. Es war sehr arbeitsintensiv, das Lesegut gesund und vollreif in den Keller zu bekommen, insbesondere durch gezieltes Vorlesen. Teilweise waren wir dreimal in einem Weinberg. Die Öchsle lagen mit 75 bis 82° im normalen Bereich, die Säure zwischen 6,5 und 7,5 g/l. Das ist für unsere frischen, fruchtigen Müller-Thurgau vom Bodensee absolut perfekt! Insbesondere die Müller-Thurgau zeigen sich schön elegant, vollmundig, mit einer rassigen Säure und einem sehr vielschichtigen Duft von Zitrusaromen, reifen Äpfeln und einer leichten Muskatnote; die Rotweine sehr ausgewogen und trinkfreudig.
Konrad Schlör, Weingut Schlör, Wertheim-Reicholzheim/badisches Frankenland: „Leider wurden die Wasservorräte des zu trockenen Jahres 2018 im Winter nicht aufgefüllt. Durch einen Nachtfrost Anfang Mai entstanden an manchen Stellen Schäden von 10% - 30%. Der Sommer war zum Teil unerträglich heiß mit Temperaturen bis zu 40°C und kein Regen in Sicht. Die Trockenheit war noch ausgeprägter als 2018. Trotzdem entwickelten sich die Reben gut. Ein kleiner Wermutstropfen war Sonnenbrand mit zum Teil großen Mengenverlusten bei den Rotweinsorten Spätburgunder und Schwarzriesling. Die Qualität ist trotz der ungewöhnlichen Wetterherausforderung jedoch sehr gut.“
Franken
Der Fränkischen Weinbauverband meldet: „Die milden Temperaturen in den Wintermonaten führten im zu einem frühen Austrieb. An den Eisheiligen gab es daher in einzelnen Gebieten Frostschäden. Durch Hitze und wenig Niederschlag wurde ein etwas geringeres Beerengewicht festgestellt. Dafür war das Lesegut vollreif, sehr gesund und mit einem guten Säuregrip ausgestattet.“ Die typischen fränkischen Silvaner sieht man als großen Jahrgang. Präsident Artur Steinman: „Der Klimawandel wird immer deutlicher spürbar.“
Hermann Mengler, Chef-Önologe im Bezirk Unterfranken, beschreibt den Jahrgang 2019 so: „Die Primär- und Sekundäraromen haben es in sich - sauber wie ein Flötenton, lupenrein, sortentypisch, cool. Die Geschmacksknospen goutieren einen kultivierten Charakter, leichtfüßig, feinsinnig aufgrund feinnerviger, mineralischer Säurepräsenz, mit dezenten Grapefruitnoten im Nachgeschmack. Alles mit balancierten Alkohol, dennoch tief, schick und säurescharf, mit trinkfreudigem Finale. Der Jahrgang vermittelt Frische und Wärme, Spannung und Präzision. Geschmack statt Promille!“
Das Weingut Juliusspital in Würzburg meldet: „Die Temperaturen erreichten im Juli mehr als einmal die 40°C Marke. Unsere Reben kämpften mit Trockenheit aber auch mit der UV–Strahlung. Unsere Winzer hielten mit einem geringen Anschnitt, schützender Blätterwand und schonendem Bodenmanagement dagegen. Am 10. September starteten wir mit der Lese: Absolut gesunde Trauben mit perfekter physiologischer Reife und auch wunderbar balancierter Säurestruktur. Alle weißen Traubensorten wurden auf Prädikatswein-Niveau gelesen – eigentlich ein Fest, würden uns nicht 40% der Menge fehlen. Die Harmonie der Weine sowie eine brillante und verspielte Aromentiefe zeichnet diesen Jahrgang aus. Die auf den Punkt gebrachte Lese bringt moderate Alkoholwerte und vor allem eine frische, balancierte Säurestruktur ins Glas. Daher wirkt der Jahrgang bei hoher Qualität überraschend elegant. Unterm Strich: Trinkfreude und viel Finesse einerseits und bei den Lagenklassikern Weine mit komplexem Mundgefühl.“
Mosel
Kellermeister Dennis Lehmen vom Weingut Kallfelz in Zell-Merl: „Der Sommer war von extremer Trockenheit geprägt. Die Entspannung durch Regen erfolgte erst ab August, und diese Regenfälle unmittelbar vor der Traubenlese führten zu konzentrierten, dichten, vollreifen Trauben mit stark überdurchschnittlichen Mostgewichten über alle Qualitäten. Die Gesamtsäure ist wegen des Sonnenscheins tendenziell niedrig auch beim Riesling. Die Weine zeigen sich fruchtig, dicht gepackt, tendenziell in Richtung Opulenz mit kräftigem Körper, stark schmeckbarer Mineralität und teilweise fester Salzigkeit.“
Das Weingut Van Volxem in Wiltingen an der Saar meldet eine Erntemenge von 3.000 l/ha, eine Säure im Durchschnitt von 7 bis 8,5 g/l (was als moderat gelten kann – die Reaktion), und durch die niedrigen Erträge sehr hohe Extraktwerte. Der Kommentar zu den Weinen lautet: „Perfekte Harmonie, ein gut bis sehr guter Jahrgang ähnlich 2016.“
Florian Lauer vom Weingut Peter Lauer in Ayl an der Saar: „Was wir geerntet haben waren nur die 70% Top-Trauben, beim Riesling um 4.000 l/ha.“
Eva Lenhardt vom Weingut Lenhardt in Mehring/Mosel: „Wir mussten die Leseplanung täglich neu gestalten und durch eine sehr selektive Lese Ertragseinbußen von 30-40% verkraften. Die Mostgewichte lagen Müller Thurgau im Schnitt bei 80° Oechsle und bei Weissburgunder bei 88°. Die Rieslinge verzeichneten je nach Qualität und Lesegut zwischen 85 und bei Trauben mit eingetrockneten Beeren bis 115° Oechlse. Es ist Ein Jahrgang, der richtig Spaß macht, und wo man Herkunft und Terroir der Weine sehr gut rausschmecken kann. Ich würde ihn heute als überdurchschnittlich gut bis sehr gut und sehr rebsorten- und gebietstypisch beschreiben. Ich denke, um den Jahrgang als ‚Groß‘ zu bezeichnen, brauchen wir noch ein paar Wochen oder Monate, um die ‚großen WeineÄ‘ zu verkosten.“
Bernhard Weich, Weingut Weich in Riol/Mosel: „Die gesamte Ernte liegt im Prädikatsweinbereich, beträgt aber nur 50% gegenüber dem Vorjahr. Die Weine zeigen sich sehr harmonisch.“
Christa Jüngling, Weingut Paulinshof in Kesten an der Mosel: „Die Mostgewichte lagen zwischen 85 - 98° Oechsle ohne Ausreißer nach oben und unten. Die Weine zeigen im Bukett florale Noten, im Geschmack ist die Säure markant aber harmonisch und rund bei mittleren Alkohol-Werten und einer ausgeprägten Mineralik. Bei der Ernte war das Säure:Süße Verhältnis mit 1:10 absolut perfekt. Insofern kann von einen hohen weiteren Reifungspotenzial des Jahrgangs ausgegangen werden, der schon wegen der geringeren Erntemenge besser als ein durchschnittlicher Jahrgang gelten darf.“
Nahe
Frank Schönleber, Weingut Emrich-Schönleber, Monzingen: „Durch einen geringen Gescheinsansatz (= wenig Trauben) und starke Verrieselung während und nach der Blüte (= wenig Beeren pro Traube) und optimale Laubarbeit war die Traubenzone sehr gut durchlüftet, und die Trauben blieben lange gesund. Mostgewicht und Säure lagen durchweg im idealen Bereich. Die Lese begann an der Nahe traditionell etwas später, Ende September. Trotz der häufigen Regenschauer in dieser Zeit gelang es, die Regenlücken gut zu nutzen und die Trauben trocken zu ernten. Vereinzelt auftretende Botrytis wurde zur Erzeugung von Auslesen und Beerenauslesen genutzt.“
Pfalz
Hansjörg Rebholz, Weingut Ökonomierat Rebholz: „Während anfangs spätsommerliche Bedingungen herrschten, erinnerte die ab dem 23. September kühlfeuchte Wetterlage eher an typisches Aprilwetter mit Regenschauern. Unsere Trauben trotzten mit ihrem guten Gesundheitszustand und den außergewöhnlich dicken Schalen dem oft widrigen Wetter ebenso erfolgreich wie unsere erfahrenen Lesehelfer. Dennoch waren oft gute Nerven und sehr viel Geduld gefragt, bis alle Trauben in der gewünschten Qualität sicher in unser Kelterhaus gebracht waren.“
Rheingau
Wilhelm Weil, Weingut Robert Weil, Kiedrich: „Das Weinjahr 2019 war im Rheingau wieder von Wetterextremen geprägt. Auf Trockenheit folgten zum Teil starke Niederschläge. Trotz Hitzerekord gab es aber dieses Jahr genug Regen. Besonders durch den heftigen Niederschlag im August wuchsen die Trauben rasant. Aufgrund von geringem Schädlingsbefall und vergleichsweise wenig Sonnenbrand ist dafür aber die Qualität der Trauben sehr gut, und wir konnten auch im edelsüßen Bereich schöne Auslesen und Beerenauslesen ernten.“
Rheinhessen
Philipp Wittmann, Weingut Wittmann in Westhofen: „Die kühlen Nächte im August und September verhalfen den Trauben zu einer tollen Aromatik bei angenehmen Säurestrukturen. Die Güte des Jahrgangs lässt Freude aufkommen. Ein kleiner Wermutstropfen ist die kleine Erntemenge.“
Sachsen
Der Weinbauverband Sachsen meldet: „Kälteeinbrüche mit nächtlichen Tiefsttemperaturen rund um den Gefrierpunkt forderten in den Nächten vom 10. bis 13. April und Anfang Mai von den sächsischen Winzern besondere Maßnahmen. Um die Rebstöcke in gefährdeten Anlagen zu schützen, entfachten sie örtlich kleine kontrollierte Feuer sowie Rauchfeuer. Die Erntemenge lag leicht über dem langjährigen Mittel. Aufgrund des physiologisch ausgereiften und gesunden Lesegutes wird die Qualität des Weinjahrganges sehr gut eingeschätzt. Dies lässt wiederum einen hohen Anteil an Prädikatsweinen erwarten.“
Württemberg
Markus Drautz, Weingut Drautz-Able, Heilbronn: „Die größte Herausforderung dieses Jahr war abermals die extreme Trockenheit. Vor allem in der Wachstumsphase der Rebe war es in Württemberg zu trocken. Ab Lesebeginn war dann der Regelmantel unser Dauerbegleiter. Im langjährigen Mittel haben wir ca. ein Drittel weniger geerntet, die Mostgewichte waren nicht zu hoch, doch die Qualitäten sehr gut, insbesondere die Säure- und Extraktwerte.“
Österreich
Reinhold Krutzler, Weingut Krutzler, Deutsch-Schützen im Burgenland: „Das Wetter war sehr ausgeglichen über das Frühjahr und den Sommer, immer mit den nötigen Regen. Für den Welschriesling war die Lese sehr gut mit hoher Traubenreife. Die Mengen lagen beim bei 5.500 l/ha, die Oechsle bei 90°. Auch die Säure ist perfekt und liegt bei den fertigen Weinen bei 6,5 g/l. Im Geschmack zeigen sich die Weine fein, mit elegantem Stil, reifer Apfel, gute Struktur am Gaumen und einem frischen Säurebogen. (Welschriesling bildet in Österreich eine wichtige Weißweinsorte. Die Rebe ist mit Elbling verwandt und nicht mit unserem Riesling identisch – Anmerkung der Redaktion.)
Blaufränkisch, unsere Hauptsorte, hatte perfekte Voraussetzungen für einen sehr guten Jahrgang, super gute Trauben mit sehr hoher Reife. Die Mengen lagen hier bei 5.000 l/ha und die Oechsle bei 93°. Auch hier ist die Säure perfekt und liegt bei 5,9 g/l. Auf der Zunge zeigen die Blaufränkisch ebenfalls feinen eleganten Stil mit Noten von dunklen Beeren, ausgeprägtem Körper, feinem Gerbstoff und eben sehr gut eingebundenem Säurespiel.“
Text: Dieter Simon, Chefredakteur und Herausgeber bonvinitas; Quellen Schlör, Schönleber, Rebholz, Weil, Wittmann und Drautz: VDP.Die Prädikatsweingüter. Aufmacherfoto (ohne Schrift): Tatsiana Yatsevich, Adobestock; übrige Fotos PR, sofern nicht anders angegeben