O nein, schon wieder ein Buch über Wein. Und dann auch noch solch ein Titel: „Wein. Das Buch“. Außergewöhnlich, das muss ich zugeben. Außergewöhnlich auch die Aufmachung. Zum Teil ist der Einband in Kork gefasst. Das macht neugierig auf den Inhalt. Versucht in der Regel bei solchen Büchern ein Fachmann/frau sein Wissen unter die Leute zu bringen, geht man bei dieser Lektüre einen anderen Weg. Neun Autoren haben sich zusammen gefunden. Vom Master of Wine, zwei Professoren, bis hin zu einem bekannten Weinblogger ist alles vertreten. Jedem ist ein Bereich des Buches zugeordnet. Wer jetzt erwartet hat, mit Weinwissen überschüttet zu werden wird enttäuscht sein. Von wegen Fachchinesisch oder eine Auflistung der gängigen Rebsorten oder besten Weingüter, wie man sie sonst zuhauf findet. Dieses Buch ist interessant und kurzweilig, vermittelt Wissenswertes auf die leichte und gut lesbare Art und ist alles andere als belehren wollend oder besserwisserisch. Abwechslungsreich sind nicht nur die unterschiedlichsten Bereiche in die das Buch unterteilt ist, sondern auch die verschiedenen Schreibstile der Autoren. Erschienen ist das Werk in der Edition Süddeutsche Zeitung, Herausgeber ist Ralf Frenzel.
Aussagekräftige Bilder
Aber was wäre ein Buch über Wein ohne ein paar Bilder. Für diese zeichnen sich viele Fotografen verantwortlich. Alle Fotos sind von ausnehmend guter Qualität, egal ob es sich um doppelseitig - großformatige, um Abbildungen von Speisen oder einfach nur um ein paar Impressionen, die der Textauflockerung dienen, handelt. Besonders gelungen fand ich die bildhafte Zuordnung zu den einzelnen Rebsorten um deren Aromatik zu verdeutlichen. Kommen wir zum Inhalt.
Einstieg in die Sensorik
Das erste Kapitel ist der Sensorik gewidmet. Prof. Dr. Hans Hatt von der Ruhr-Universität Bochum beschreibt dort in überaus eindrucksvoller Art und Weise, wie man sich dem Wein sensorisch nähert, wie unser Geruchs- und Geschmackssinn funktioniert. Das ist wissenschaftlich fundiert, kommt aber leicht und verständlich rüber und vermittelt viele überraschende Erkenntnisse.
Verschiedene Rebsorten-verschiedene Aromen
Nach der Sensorik widmet man sich folgerichtig den Rebsorten, deren Weinen und Aromen. Auch dieses Kapitel finde ich überaus gelungen obwohl es ein wenig erinnert an das Buch „Steinheuer, Harmonie der Aromen aus dem Tre Torri Verlag. Aber nichts desto trotz, auf fast 70 Seiten werden 20 Rotweinsorten und 10 Weißweinsorten vorgestellt. Jeder Rebsorte sind zwei Seiten gewidmet. Auf der einen Seite erfährt man wissenswertes über die Sorte selbst. Auf der gleichen Seite wird ein Wein der betreffenden Sorte vorgestellt, seine Leitaromen aufgelistet und in kurzen Sätzen sein Geschmacksprofil beschrieben. Auf der anderen Seite werden die Aromen anschaulich dargestellt z. B. In Form von Zimtstangen, Nüssen oder Früchten.
Ein kleiner Wermutstropfen
Ein wenig zu wünschen übrig lässt das nachfolgende Kapitel über den Weinausbau. Diesem komplexen Thema hat man nur 4 Seiten gewidmet. Und in diesen 4 Seiten erfährt man eigentlich nur etwas über die Behälter in denen der Wein ausgebaut wird. Dabei ist der Weinausbau mitverantwortlich für die Geschmacksausprägung der Weine und umfasst den großen Bereich von der Kelter bis zur Füllung. Nichts über Hefelager, Maischestandzeiten, gekühlte Gärung, Weinbehandlung (Schönungen) etc. Dieses Kapitel hätte man auch weglassen können. Das gleiche gilt für das Thema Weingläser, das nur zwei Seiten umfasst. Mittlerweile dürfte jeder wissen, dass man Wein nicht aus einem Wasserglas trinkt. Und mehr sagt diese Abhandlung eigentlich nicht aus.
Interessante Historie
Deutlich interessanter wird es dann wieder bei „Geschichte“. Auf 40 Seiten erfährt man Vielerlei über die geschichtliche Entwicklung der einzelnen weinaffinen Bereiche. Dementsprechend hat man Unterteilungen vorgenommen, was ich überaus sinnvoll finde. So werden neben der Weinhistorie auch die sich immer weiter entwickelnden Methoden seines An- und Ausbaus beleuchtet. Ebenso werden die geschichtlichen Werdegänge der Weinregionen skizziert. Auch der Weinhandel und die Wertschätzung die der Wein selbst im Laufe der Jahrhunderte erfahren hat, werden unter die Lupe genommen. Nicht Halt macht man auch vor den heutigen Bewertungskriterien, denen der Wein unterworfen ist. Bei letzterem hätte ich mir allerdings ein wenig mehr eigene Meinung gewünscht. Aber die Abhandlung von Stefan Pegatzky, der für dieses Thema verantwortlich ist, liest sich locker und flockig, und gerne folgt man seinen geschichtlichen Exkursen, die sich nicht nur auf Deutschland beschränken, sondern auch die Einflüsse von außen mit einbeziehen.
Weinprobe; aber wie?
Kurz und knackig lässt sich Caro Maurer im nächsten Kapitel darüber aus, was bei einer Weinprobe alles zu beachten ist. Selten habe ich dies in so kurzer und prägnanter Form gelesen: Gut gemacht. Genauso interessant ist es zu erfahren, wie unterschiedlich die Empfindungen von vier Weinverkostern sind, wenn sie ein und denselben Wein trinken und beurteilen.
Wein und Speisen, eine gelungene Liaison
Natürlich darf in einem solchen Buch auch die Liaison Wein und Essen nicht fehlen. Eines der gelungensten Kapitel. Man erfährt in wunderschöner Art und Weise in Wort und Bild, was Wein und Essen miteinander verbindet. So werden nicht nur 10 Gerichte, deren Rezepte und jeweils drei der dazu passenden Weine vorgestellt, sondern es wird auch erklärt warum dies alles zusammen passt. Der anschließende Gang in die Küche ist dabei vorprogrammiert. Zum Schluss des Buches beschäftigen sich die Autoren noch mit Weineinkauf und dessen Lagerung zu Hause. Das in diesem Genre übliche Glossar darf natürlich auch nicht fehlen.
Fazit: empfehlenswert
Gerne habe ich mich durch dieses schön aufgemachte Buch gelesen. Wenn auch ein oder zwei Bereiche weniger interessant waren, kann ich mir doch vorstellen, dass viele Leser Spaß an der Lektüre haben werden.
Süddeutsche Zeitung Edition
Ralf Frenzel (Herausgeber)
Hardcover mit Kork veredelt
264 Seiten
Format: 27 x 33 cm
€ 49,90 (D), € 51,30 (A)
ISBN 978-3-86497-375-8
Erschienen: 15.12.2016