Wieso gibt es keine Beweise, dass moderater Alkoholgenuss krank macht oder gar „tötet“?
Das ist einfach erklärt: Die Ernährungswissenschaften sind in einer sehr bemitleidenswerten Lage, weil sie keine Beweise (Kausalevidenz) sondern nur banale statistische Zusammenhänge (Korrelationen) liefern können - und diese Beobachtungen lassen ausschließlich Vermutungen, Hypothesen und Spekulationen zu. Die unglaublich zahlreichen Limitierungen (Veröffentlichungen des Autors auf Focus online) führen dazu, dass dieser Forschungszweig dem Lesen einer Glaskugel gleicht.
Das schreibt im Übrigen auch die DGE in ihrem aktuellen Positionspapier: „Die Aussagekraft von Metaanalysen von Kohortenstudien zur Beziehung zwischen Alkoholkonsum und Gesamtmortalität ist durch methodische Schwierigkeiten stark limitiert ... die Schätzungen des alkoholbedingten Sterberisikos variieren je nach Studiendesign zudem erheblich und sind somit schwierig zu interpretieren.“
Auch stellt die DGE klar: „Die Ergebnisse eines systematischen Reviews mit Metaanalyse zeigen keine statistisch signifikanten Unterschiede im Mortalitätsrisiko zwischen Personen mit gelegentlichem Alkoholkonsum (< 1,3 g/d)*) und Alkoholkonsum in geringen Mengen (1,3– < 25 g/d) bzw. moderatem Alkoholkonsum (25–< 45 g/d) und lebenslanger Abstinenz.“ Also wer wenig bis moderat trinkt, lebt rein statistisch genauso lang wie Abstinenzler.
Und da es keine Kausalevidenz für die krankmachende Wirkung der wenig-moderaten Mengen gibt, muss man sich fragen: Warum auf einmal „null Promille“? Wahrscheinlich vollzieht die DGE einen „Kotau vor dem moralinsauren Zeitgeist“ – also alles, was kulinarischen Genuss bringt, muss gesellschaftlich „geächtet“ werden.
Randnotiz: Eine der wesentlichen Limitierungen ist bereits die Datenbasis, also die stets unüberprüfbaren Eigenangaben sind der „Quell´ allen Übels“ aller Ernährungsregeln - so schreibt auch die DGE: „Bei der Erfassung der Alkoholzufuhr gibt es methodische Schwierigkeiten: Durch Selbstangabe des Konsums kann es zu einer Verzerrung der Daten durch Misreporting, also der Angabe einer geringeren oder höheren als der tatsächlich konsumierten Menge oder der Konsumhäufigkeiten, kommen.“
Kurzum: Es gilt auch beim Alkohol das ökotrophologische Universalcredo: Nichts Genaues weiß man nicht!
Was ist denn von den DGE-Regeln im Allgemeinen zu halten?
Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Antwort ganz einfach: „Kein gesunder Mensch braucht eine einzige Ernährungsregel“ (Veröffentlichung des Autors auf Focus online). Denn den DGE-Regeln fehlt vollumfänglich die wissenschaftliche Evidenz, dass sie die Gesundheit der Bürger fördern. Hinzu kommt: Es gibt bis heute weder einen einzigen Nutzennachweis dieser Empfehlungen, noch kann ein Schaden sicher ausgeschlossen werden. Niemand kann also sagen, ob diese Essregeln vielleicht gar negative Effekte ausüben werden.
Was generell wundert: Alkohol ist kein Lebensmittel, das zur Ernährung beiträgt. Alkohol ist eine psychotrope, also hirnaktive Droge, die berauscht. Die Menschen trinken Alkohol wegen seiner Wirkung auf die Psyche, auf das Hirn, auf die Emotionen - aber normalerweise nicht, weil sie Hunger oder Durst haben. Die Bewertung des Alkohols wäre demnach eher etwas für die Deutsche Gesellschaft für Psychologie oder themenaffinere Institutionen.
Text: Uwe Knop
Dieser Beitrag erschien im Original zuerst auf FOCUS online-Experte.