Ich koche in emotionalen Harmonien
Anne-Sophie Pic (44) ist eine der fantasievollsten Köchinnen der Welt. Ihre Küche ist ein Zurück-zur-Natur auf verschiedensten Wegen. Mit ihren Rezepten und Gerichten ergründet sie die geschmacklichen Tiefen der Produkte und Ingredienzien, entlockt den Gewürzen Nuancen und kombiniert diese nach ihrem Empfinden. Sie lässt ihre Gäste neue Geschmacksvarianten und Texturen erleben, wendet eigene Kochtechniken an oder adaptiert die anderer Küchen, wie Japan, Österreich oder Italien. Sie extrahiert und potenziert Aromen und Geschmack, balanciert sie aus, bis ihre Küche wieder etwas Urfranzösisches hat.
Die im Stuttgarter Matthaes Verlag (Auflage 3.000; 228 Seiten; 69,00 Euro; ISBN 978-3-87515-0888-9) erschienene deutsche Ausgabe ihres „Le Livre Blanc“ erhielt heute von der Gastronomischen Akademie Deutschlands eine Goldmedaille im Literarischen Wettbewerb (130 Titel) anlässlich der Frankfurter Buchmesse. Ein Genuss-Bilderbuch für die Sinne. Layout und Grafik sind von minimalistischer Eleganz.
Anne–Sophie Pic führt in vierter Generation (Vater und Großvater hatten schon je drei Sterne) die Maison Pic in Valence und hat sich drei Sterne erkocht. Auf zwei Sterne bringt es ihre Dependance im Lausanner Hotel Beau Rivage, Anne-Sophie Pic, das vor fünf Jahren eröffnete. Ein Stern wurde ihrem Pariser Bistro La Dame de Pic zuerkannt.
In Lausanne gab Mme. Pic bonvinitas ein Interview.
bonvinitas: Kann man „schmecken“ lernen?
PIC: Ja! Ich bringe das jedem aus meinem Team bei. Die Kombination, das Ergänzen, Intensivieren von Aromen und verwandten Geschmacksstoffen bildet das Fundament meiner Küche. Die muss Emotionen auslösen und widerspiegeln.
bonvinitas: Sie haben Ökonomie studiert. Welche Muse hat Sie an den Herd der Sterneküche geküsst?
PIC: Der Champagner, die Assemblage, das Blenden der Traubensorten, das Einhalten der Balance zwischen ihnen. Diese Geschmackserlebnisse haben mich glücklich gemacht. Das ist genau das, was ich heute auch mit meiner Küche praktiziere.
bonvinitas: Die Position Ihrer Küche ist eher klassisch oder im innovative?
PIC: In die Mitte. Ich koche traditionsbewusst, nicht traditionell. Ich übernehme aber auch andere Techniken. Ich ersetze den klassischen Geflügelfond durch das japanische Dashi, das ist leichter, weil da keine Butter hinein kommt und die darin enthaltenen Algen voll von natürlichem Glutamat sind.
bonvinitas: Ihr Favorit auf Ihrer Karte?
PIC: Meine Gäste „überfallen“ meine Restaurants in Valence und Paris und wollen unbedingt meine gefüllten, tetraederförmigen Teigtäschchen, die Berlingots, essen.
bonvinitas: Gibt es in Ihrem Team jemand, der das Zeug zu einem Spitzen-Chef hätte?
PIC: Ja. Ich habe seit acht Jahren eine Japanerin als Sous-Chefin. Sie komponiert die Soßen in jeder Nuance exakt so, wie ich sie mir vorstelle.