Wir verfolgen nicht die Linie „je dicker – je besser“, sondern wir lassen unsere Prüfer in vier Kategorien bewerten. Die Kategorie 1 steht für trockene leichtere Weine bis 12 % Alkohol. Natürlich werten unsere Prüfer „blind“, doch wir halten sie an, in dieser Kategorie die Frische und Lebendigkeit mehr zu berücksichtigen, sowie den Trinkspaß. Gemeint ist, dass man nach dem ersten Schluck gleich Lust hat auf den zweiten und nicht in Andacht versinken muss. Unsere Bewertungsbogen finden sich hier. So wurden in dieser Weinbewertung in der Kategorie 1 (grüne Punkte) zwei trockene Weißweine mit 97 bzw. 95 Punkten bedacht, was ich toll finde, auch wenn der eine ein Blanc de Noir ist. Warum sollen immer nur die dicken Roten hohe Punkte ergattern? Ich finde es an der Zeit, dass wir auch leichteren trocken Weißweinen gute Chancen geben, für die ja Deutschland zu großen Teilen steht. Da gibt es viel Gutes. Und wer trinkt beim sommerlichen Grillen oder abends auf der Terrasse nicht gerne einen gut gekühlten, frischen, trockenen Weißwein nicht zu schwer, der einfach viel Spaß macht? Und warum sollen Weine im Rahmen dieser Kategorie, wenn sie gut sind, nicht hoch bewertet werden?
Hagnau am Bodensee. Foto: Winzerverein Hagnau PRWie immer probiere ich die Bestbewerteten nach, um sie hier vorzustellen:
97 Punkte erhielt der
2016 Blanc de Noirs trocken Hagnauer Burgstall Pinot Noir des Winzervereins Hagnau am Bodensee, zu dem ich notiert habe: Angenehm frischer Duft mit Noten von reifen Äpfeln, Mandeln, Zimtgebäck; saftig-üppiger Körper mit interessant feinherben Noten, welche die Fülle nochmals betonen, und der mit einer spürbaren doch gut eingebauten Fruchtsäure im Finish überzeugt – typisch 2016! Ein Wein, der mich
an die einstigen Schlepper auf dem Rhein erinnerte, die Lastkähne zogen, wo eben immer noch etwas Kräftiges nachkam. Die Analyse wurde uns mit 12 % gemeldet, auf dem Etikett steht 12,5%. So bildet dieser Tropfen sicherlich einen Grenzfall der Kategorie 1, noch nicht zu schwer und doch sehr füllig, so dass ich ihm ein Potenzial von durchaus fünf Jahren vermache. Eine Prüferin notierte: Passt gut zu Sommersalaten und Gegrilltem – dem ich nur beipflichten kann.
Es ist ein „Seewein“. Die 1881 am Bodensee gegründete Winzergenossenschaft zählt zu den ältesten Deutschlands. 52 Winzerfamilien bewirtschaften 165 Hektar Rebfläche. Im Vordergrund stehen Müller-Thurgau, wie könnte es anders sein, wurde die Rebe doch im gegenüberliegenden Schweizer Thurgau gezüchtet, sowie blauer Spätburgunder, eben Pinot Noir, wie hier als Blanc de Noir vinifiziert.
Das milde Bodenseeklima: Ufer bei Meersburg, im Hintergrund die Alpen. Foto: PixabayMit
95 Punkten bewertet wurde die
2016 Gourmet Kreation Weiss des Winzervereins Meersburg, gleichfalls ein Seewein aus der unmittelbaren Nachbarschaft: In der Nase Noten von Golden Delicius Äpfeln, Avocado, Heu; frischer, belebender Körper, viel Trinkspaß, der im Finish in eine heitere Leichtigkeit mündet, die einfach Spaß macht und, wie ich finde, zurecht hoch bewertet wurde. Ein Wein
wie ein fröhlich plätschernder Wasserfall eines Waldbachs. Passt wunderbar zu Fisch Müllerin – natürlich zu Bodensee-Felchen gegrillt oder fritiert geradezu klassisch. Der schönen Frische wegen, würde ich ihn alsbald konsumieren.
Im Winzerverein Meersburg, 1884 gegründet und daher kaum jünger, bewirtschaften 30 angeschlossene engagierte Winzer 53 Hektar Reben vorwiegend auf kiesigen Endmoränen-Böden, die es weinbaumäßig in dieser Art nur am Bodensee gibt, in welche die Rebwurzeln tief eindringen und dort gut Minerale aufnehmen können.
Text und Titelfoto: Dieter Simon, Chefredakteur und Herausgeber bonvinitas