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Das neue deutsche Weinrecht - was es für Weinfreunde und Winzer bringt

Die Nennung von Ort und Lage besagen nun höhere Qualität und jetzt auch genau geregelt: Erstes und Großes Gewächs

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Das neue deutsche Weinrecht - was bringt es für Weinfreunde und Winzer? Nennung von Ort und Lage verlangen nun höhere Qualität, jetzt auch genau geregelt: Erstes und Großes GewächsDas neue deutsche Weinrecht - was bringt es für Weinfreunde und Winzer? Nennung von Ort und Lage verlangen nun höhere Qualität, jetzt auch genau geregelt: Erstes und Großes Gewächs
Die Qualitätspyramide orientiert sich nun stärker an der Herkunft. Insbesondere die Nennung eines Ortsnamens und einer Einzellage auf dem Etikett besagen jeweils eine höhere Weinqualität, und „Erstes Gewächs“ sowie „Großes Gewächs“ sind nun genau geregelt, um das Wichtigste vorab zu nennen. Im Januar 2021 trat das neue deutsche Weingesetz in Kraft und Anfang Mai die neue bzw. geänderte Weinverordnung des Bundes. Was bringen diese für Weinfreunde und Winzer:

Zunächst zum Hintergrund

Schon in den letzten 60er-Jahren hat die seinerzeitige EWG die gemeinsamen Agrarmärkte geschaffen. 1970 folgten die entsprechenden EWG-Weinverordnungen. Damit bekamen wir im Wesentlichen das französische Weinrecht, das die Qualitätsstufen an die Herkunft bindet: AOC = Appellation d’Origine Contrôlée – oder heute AOP = Appellation d’Origine Protégée, zu Deutsch geschützte Ursprungsbezeichnung, bis hin zu Grand Cru. Doch in Deutschland hatte man sich davor gedrückt und mit Klimmzügen das Öchsle-System mit den Qualitätsweinprüfungen eingeführt, nach dem Motto: Je höher die Qualitätsstufe, wie Qualitätswein, Kabinett, Spätlese usw., desto höher die Anforderungen an die Öchslegrade. Die Lagebezeichnungen bildeten letztlich nur eine Zusatzinformation für Heimattreue oder Kenner. Doch die Öchslegrade bestimmen die Qualität eines Weine bei weitem nicht alleine. Viele weitere Faktoren spielen eine Rolle, insbesondere die geerntete Menge pro Hektar, ferner der Zustand der Trauben und die Terroirs, um nur einige zu nennen. Schließlich wachsen die Qualitäten im Weinberg, nicht im Keller. Dort kann man sie nur herausarbeiten, schlimmstenfalls Fehler machen.

Engere Herkunftsbezeichnung heißt nun höhere Qualität

Neu ist nun, dass engere Herkunftsbezeichnungen, wie Gemeinde/Ortsteil sowie der Einzellage, höhere Qualitäten erfordern. Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, hat sich für diese Anpassung an das EU-Weinrecht stark gemacht. Mit ein Grund war der Einbruch des Weinexports. Man ging davon aus, dass viele internationale Weinfreunde die deutsche Qualitätspyramide nicht verstehen, orientieren sich die Qualitätseinstufungen international doch weitgehend am französischen Vorbild der Herkunft.

Auch wenn die bisherigen Einstufungen mit Qualitätswein, Kabinett, Spätlese usw. nach Öchsle in Kraft bleiben, werden an engere Herkunftsbezeichnungen nun strenge Maßstäbe angelegt. Das heißt, wenn eine Gemeinde/Ortsteil sowie auch die Lage auf dem Etikett steht, muss eine höhere Weinqualität angeboten werden. Daran kann sich der Weinfreund orientieren. Das ist neu, auch wenn dies erst ab dem Jahrgang 2021 eine größere Rolle spielen dürfte, wurden doch Übergangsfristen für vorhandene Weine eingeräumt.

Was nun Ort bzw. Lage auf dem Etikett an Qualität besagen:

Voraus muss man schicken, dass die bekannten dreizehn Qualitätsweinbaugebiete, wie z.B. Rheinhessen oder Mosel, gesetzlich festgeschrieben bleiben. Sie gelten als geschützte Ursprungsbezeichnung mit Mindeststandards. Die Länder können je Gebiet und Sorten höhere Standards, insbesondere Mindestmostgewichte für die Qualitätsstufen Qualitätswein, Kabinett, Spätlese usw. festlegen und haben davon schon lange regen Gebrauch gemacht. Das bleibt, und das sperrige Verwaltungswort hierfür heißt „Produktspezifikationen“. So gelten beispielsweise für Riesling im Weinbaugebiet Pfalz folgende Mindestmostgewichte: für Qualitätswein 60° Öchsle, für Kabinett 73° Öchsle für Spätlese 85° Öchsle usw. 

Nun darf ein Wein eine Ortsbezeichnung erst tragen, wenn er das jeweilige Mindestmostgewicht für Kabinett erreicht hat, und erst ab 15. Dezember des Erntejahres in den Verkehr gebracht wird. Gleiches gilt für die Nennung einer Einzellage, die mit einem Ort verbunden werden muss, und dann der Wein sogar erst ab 1. März nach der Ernte in den Verkehr kommen darf. Die Anreicherung, das heißt die Erhöhung des Alkohols bei der Gärung durch Zuckern (streng reguliert) bleibt für Qualitätsweine auch mit Ort und Lage erlaubt, für Prädikatsweine aber weiterhin generell tabu. Die Länder können in den Produktspezifikationen noch weitergehende strengere Regeln für Orts- und Lagebezeichnungen festlegen, zum Beispiel für Sorten, Hektarhöchsterträge, Mindestmostgewichte oder den Restzuckergehalt – auch für kleinere Untergebiete. Man wird sehen, ob und in wie weit die Länder davon Gebrauch machen, wobei die Verbände natürlich ein Wörtchen mitreden dürften.

Wird ein Bereich oder eine Großlage auf dem Etikett genannt, muss nun das Wort „Bereich“ hinzugefügt werden, um sie von Einzellagen deutlich zu unterscheiden. Auch das ist neu.

Was heißt das für die Winzer?

In letzter Zeit war ja zu beobachten, dass Orts- und Lagebezeichnungen in den Hintergrund traten. Viele Winzer stellten die Sorten heraus und generierten sich selbst mehr als Marke. Im Gegensatz dazu standen vor allem die VDP-Erste Lage und die VDP-Große Lage bzw. großes Gewächs - dazu unten mehr. Inzwischen ist unstrittig, dass die Terroirs, wie Böden, Hangneigung, Himmelsrichtung, Kleinklima usw. einen wichtigen Einfluss auf die Weinqualität haben. So macht es Sinn, Orte und Einzellagen wieder mehr in den Vordergrund zu rücken und einen bestimmten Weincharakter zu unterstreichen, der mit einer bestimmten Sorte in einer bestimmten Lage wächst. Für manchen Winzer heißt das eine gewisse Marketingumstellung. Man darf gespannt sein, wohin die Reise geht.

„Erstes Gewächs“ und „Großes Gewächs“

Foto: Arnoldi DesignFoto: Arnoldi DesignDiese Begriffe sind nun in der neuen Weinverordnung speziell geregelt. Vergleichbares kennt man von VDP-Weingütern (Verband Deutscher Prädikatsweingüter). Doch bei genauem Hinsehen sind dies geschützte Markenbezeichnungen, wie VDP.ERSTE LAGE® und VDP.GROSSE LAGE®, was sich der VDP hat schützen lassen und verbandsintern Lagen danach definiert, was die Mitgliedsweingüter marketingmäßig kräftig nutzen. „Erstes Gewächs“ und „Großes Gewächs“ lässt sich jedoch, weil zu allgemein, nicht markenrechtlich schützen und war bisher weder geregelt noch verboten, wurde jedoch nur wenig genutzt, weil von der Weinkontrolle nur für allererste Qualitäten geduldet, um Verbrauchertäuschungen vorzubeugen.

Nun lauten die Regeln für „Erstes Gewächs“:

  • nur Weiß- oder Rotwein
  • nur eine Rebsorte – genannt
  • Hektarhöchsterträge bei Steillagen 60 hl/ha sonst 70 hl/ha - dürfen maximal um 10% überschritten werden
  • Alkohol mindestens 11% > 83° Öchsle
  • nur mit Nennung der Einzellage
  • nur mit Jahrgangsangabe
  • trocken nach der gesetzlichen Regel für trocken, was aber nicht angegeben werden darf (versteht sich also von selbst)
  • die Weine dürfen erst ab 1. März nach der Ernte in den Verkehr kommen

Die Regeln für „Großes Gewächs“:

  • wie oben, jedoch weiter:
  • Hektarhöchsterträge bei Steillagen 50 hl/ha sonst 60 hl/ha - dürfen maximal um 10% überschritten werden
  • nur Handlese
  • Alkohol mindestens 12% > 89° Öchsle
  • eine weitere Prüfung neben der amtlichen
  • die Weine dürfen erst ab 1. September des Jahres nach der Ernte in den Verkehr kommen
Die Schutzgemeinschaften – dazu unten mehr – können noch individuellere und strengere Regeln festlegen, sogar nur für bestimmte Lagen, womit so etwas wie „Grand Cru Lagen“ das Tor geöffnet ist. (Nur dürfen sie nicht so heißen, weil Frankreich sich dies hat schützen lassen.) Parallel dürfen die VDP-Winzer die genannten VDP-Marken weiterhin nutzen.

Die Schutzgemeinschaften und ihr neuer Spielraum

Damit hat der Gesetzgeber das Festlegen von Regeln (im Rahmen des Gesetzes) nach „unten“ verlagert hin zu Verbänden und Gemeinschaften, was schon ab 2018 im Weingesetz geändert und nun weiter präzisiert wurde. Die Verbände haben auf Ebene der Weinbaugebiete solche Schutzgemeinschaften gebildet, die anerkannt wurden und beispielsweise in schwierigen Weinjahren Anträge auf Ausnahmen bei der Weinbereitung bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung stellen können, ohne dass die „Gesetz- und Verordnungsmaschine“ angeworfen werden muss. Vorbild sind die „Conseils Interprofessionnels“ in Frankreich oder die Consortien in Italien, die auch einen gewissen Regelungsspielraum haben und für das jeweilige Gebiet Festlegungen treffen können.

Die Einzellage „Bürgstadter Berg“ in Franken, die erste kleinere geschützte Ursprungsbezeichnung in Deutschland, beantragt von einer Schutzgemeinschaft und 2016 eingetragen. Foto: K.J. Hildenbrand © LWGDie Einzellage „Bürgstadter Berg“ in Franken, die erste kleinere geschützte Ursprungsbezeichnung in Deutschland, beantragt von einer Schutzgemeinschaft und 2016 eingetragen. Foto: K.J. Hildenbrand © LWGWeiter können kleinere Schutzgemeinschaften gebildet werden, zum Beispiel für bestimmte Lagen. Dem müssen die Vertreter von mindestens 2/3 der jeweiligen Weinerzeugung zustimmen. Diese Schutzgemeinschaften können dann auch für gewisse Terroirs strengere Regeln für „Erstes Gewächs“ und „Großes Gewächs“ festlegen und auch für bestimmte abgegrenzte Lagen, die sich durch einheitliche Profile auszeichnen, spezielle Lagenamen als geschützte Ursprungsbezeichnungen beantragen. Interessanterweise braucht das Weinbaugebiet dann nicht mehr auf dem Etikett zu stehen, die – wenn auch kleinere – geschützte Ursprungsbezeichnung steht für sich.

Natürlich wird es ein „dickeres Brett“ sein, solche lokalen Gemeinschaften zu bilden, solche Lagen genehmigt und als geschützte Ursprungsbezeichnung eingetragen zu bekommen, und dann strengere Regeln für „Erstes Gewächs“ und „Großes Gewächs“ festzulegen. Doch damit ist es nun möglich, so etwas wie „Grand Cru“ zu bilden. Was durchaus im Sinne des neuen Weinrechts ist, die Qualitätspyramide mehr an die Herkunft bzw. das Wachstum zu binden. Wir werden sehen, wohin die Reise geht.


Natürlich habe ich hier nur die wichtigsten Neuerungen und Regeln beschrieben, denn die Weinerzeugung ist noch viel detaillierter geregelt. Dies alles darzustellen, würde hier den Rahmen gewaltig sprengen.

Text: Dieter Simon, Chefredakteur und Herausgeber bonvinitas. 

Aufmacherbild: Weinlandschaft bei Birkweiler/Pfalz, Foto: juhumbert - stock.adobe.com; Foto Gläser: Mariyana M - stock.adobe.com; Foto Steine: bonvinitas
 
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