Zunächst zum Hintergrund
Engere Herkunftsbezeichnung heißt nun höhere Qualität
Neu ist nun, dass engere Herkunftsbezeichnungen, wie Gemeinde/Ortsteil sowie der Einzellage, höhere Qualitäten erfordern. Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner, hat sich für diese Anpassung an das EU-Weinrecht stark gemacht. Mit ein Grund war der Einbruch des Weinexports. Man ging davon aus, dass viele internationale Weinfreunde die deutsche Qualitätspyramide nicht verstehen, orientieren sich die Qualitätseinstufungen international doch weitgehend am französischen Vorbild der Herkunft.
Auch wenn die bisherigen Einstufungen mit Qualitätswein, Kabinett, Spätlese usw. nach Öchsle in Kraft bleiben, werden an engere Herkunftsbezeichnungen nun strenge Maßstäbe angelegt. Das heißt, wenn eine Gemeinde/Ortsteil sowie auch die Lage auf dem Etikett steht, muss eine höhere Weinqualität angeboten werden. Daran kann sich der Weinfreund orientieren. Das ist neu, auch wenn dies erst ab dem Jahrgang 2021 eine größere Rolle spielen dürfte, wurden doch Übergangsfristen für vorhandene Weine eingeräumt.
Was nun Ort bzw. Lage auf dem Etikett an Qualität besagen:
Voraus muss man schicken, dass die bekannten dreizehn Qualitätsweinbaugebiete, wie z.B. Rheinhessen oder Mosel, gesetzlich festgeschrieben bleiben. Sie gelten als geschützte Ursprungsbezeichnung mit Mindeststandards. Die Länder können je Gebiet und Sorten höhere Standards, insbesondere Mindestmostgewichte für die Qualitätsstufen Qualitätswein, Kabinett, Spätlese usw. festlegen und haben davon schon lange regen Gebrauch gemacht. Das bleibt, und das sperrige Verwaltungswort hierfür heißt „Produktspezifikationen“. So gelten beispielsweise für Riesling im Weinbaugebiet Pfalz folgende Mindestmostgewichte: für Qualitätswein 60° Öchsle, für Kabinett 73° Öchsle für Spätlese 85° Öchsle usw.
Nun darf ein Wein eine Ortsbezeichnung erst tragen, wenn er das jeweilige Mindestmostgewicht für Kabinett erreicht hat, und erst ab 15. Dezember des Erntejahres in den Verkehr gebracht wird. Gleiches gilt für die Nennung einer Einzellage, die mit einem Ort verbunden werden muss, und dann der Wein sogar erst ab 1. März nach der Ernte in den Verkehr kommen darf. Die Anreicherung, das heißt die Erhöhung des Alkohols bei der Gärung durch Zuckern (streng reguliert) bleibt für Qualitätsweine auch mit Ort und Lage erlaubt, für Prädikatsweine aber weiterhin generell tabu. Die Länder können in den Produktspezifikationen noch weitergehende strengere Regeln für Orts- und Lagebezeichnungen festlegen, zum Beispiel für Sorten, Hektarhöchsterträge, Mindestmostgewichte oder den Restzuckergehalt – auch für kleinere Untergebiete. Man wird sehen, ob und in wie weit die Länder davon Gebrauch machen, wobei die Verbände natürlich ein Wörtchen mitreden dürften.
Wird ein Bereich oder eine Großlage auf dem Etikett genannt, muss nun das Wort „Bereich“ hinzugefügt werden, um sie von Einzellagen deutlich zu unterscheiden. Auch das ist neu.
Was heißt das für die Winzer?
„Erstes Gewächs“ und „Großes Gewächs“
Nun lauten die Regeln für „Erstes Gewächs“:
- nur Weiß- oder Rotwein
- nur eine Rebsorte – genannt
- Hektarhöchsterträge bei Steillagen 60 hl/ha sonst 70 hl/ha - dürfen maximal um 10% überschritten werden
- Alkohol mindestens 11% > 83° Öchsle
- nur mit Nennung der Einzellage
- nur mit Jahrgangsangabe
- trocken nach der gesetzlichen Regel für trocken, was aber nicht angegeben werden darf (versteht sich also von selbst)
- die Weine dürfen erst ab 1. März nach der Ernte in den Verkehr kommen
Die Regeln für „Großes Gewächs“:
- wie oben, jedoch weiter:
- Hektarhöchsterträge bei Steillagen 50 hl/ha sonst 60 hl/ha - dürfen maximal um 10% überschritten werden
- nur Handlese
- Alkohol mindestens 12% > 89° Öchsle
- eine weitere Prüfung neben der amtlichen
- die Weine dürfen erst ab 1. September des Jahres nach der Ernte in den Verkehr kommen
Die Schutzgemeinschaften und ihr neuer Spielraum
Damit hat der Gesetzgeber das Festlegen von Regeln (im Rahmen des Gesetzes) nach „unten“ verlagert hin zu Verbänden und Gemeinschaften, was schon ab 2018 im Weingesetz geändert und nun weiter präzisiert wurde. Die Verbände haben auf Ebene der Weinbaugebiete solche Schutzgemeinschaften gebildet, die anerkannt wurden und beispielsweise in schwierigen Weinjahren Anträge auf Ausnahmen bei der Weinbereitung bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung stellen können, ohne dass die „Gesetz- und Verordnungsmaschine“ angeworfen werden muss. Vorbild sind die „Conseils Interprofessionnels“ in Frankreich oder die Consortien in Italien, die auch einen gewissen Regelungsspielraum haben und für das jeweilige Gebiet Festlegungen treffen können.
Weiter können kleinere Schutzgemeinschaften gebildet werden, zum Beispiel für bestimmte Lagen. Dem müssen die Vertreter von mindestens 2/3 der jeweiligen Weinerzeugung zustimmen. Diese Schutzgemeinschaften können dann auch für gewisse Terroirs strengere Regeln für „Erstes Gewächs“ und „Großes Gewächs“ festlegen und auch für bestimmte abgegrenzte Lagen, die sich durch einheitliche Profile auszeichnen, spezielle Lagenamen als geschützte Ursprungsbezeichnungen beantragen. Interessanterweise braucht das Weinbaugebiet dann nicht mehr auf dem Etikett zu stehen, die – wenn auch kleinere – geschützte Ursprungsbezeichnung steht für sich.
Natürlich wird es ein „dickeres Brett“ sein, solche lokalen Gemeinschaften zu bilden, solche Lagen genehmigt und als geschützte Ursprungsbezeichnung eingetragen zu bekommen, und dann strengere Regeln für „Erstes Gewächs“ und „Großes Gewächs“ festzulegen. Doch damit ist es nun möglich, so etwas wie „Grand Cru“ zu bilden. Was durchaus im Sinne des neuen Weinrechts ist, die Qualitätspyramide mehr an die Herkunft bzw. das Wachstum zu binden. Wir werden sehen, wohin die Reise geht.
Natürlich habe ich hier nur die wichtigsten Neuerungen und Regeln beschrieben, denn die Weinerzeugung ist noch viel detaillierter geregelt. Dies alles darzustellen, würde hier den Rahmen gewaltig sprengen.
Text: Dieter Simon, Chefredakteur und Herausgeber bonvinitas.