bonvinitas: Frau Ministerin, welche Rolle können Ihrer Meinung nach PIWI-Sorten spielen vor dem Hintergrund der Klimaerwärmung sowie in Bezug auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit im Weinbau?
Julia Klöckner: PIWIs, also pilzwiderstandsfähige Rebsorten, sind ein Schlüssel zur Anpassung des Weinbaus an den Klimawandel sowie zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln. Das wurde gerade dieses Jahr sehr deutlich: Nach dem feuchten Wetter im Juli waren Infektionsdruck und Pilzbefall in den Weinbergen enorm hoch – Echter und Falscher Mehltau hatten durch die Witterung leider gute Bedingungen. Um die Traubenernte zu retten, mussten die Winzerinnen und Winzer häufig mehr Pflanzenschutzmittel ausbringen. Und genau hier liegt die große Chance: Denn Winzer, die schon auf PIWIs setzen, konnten dieses Jahr bis zu 50 Prozent, teilweise sogar bis zu 80 Prozent Pflanzenschutzmittel einsparen. Das ist ein wesentlicher Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit und Ressourcenschutz.
bonvinitas: Leider finden PIWI-Sorten bei den Weinfreunden noch wenig Resonanz sowie im Gefolge auch im Anbau – vielleicht auch umgekehrt. Wie könnte man die Akzeptanz von PIWI-Sorten erhöhen?
Julia Klöckner: Fest steht: PIWIs zeigen wie innovativ der deutsche Weinbau ist. Mit unserem Institut für Rebenforschung am Julius Kühn-Institut sind wir hier weltweit führend. Inzwischen existieren rund 30 pilzfeste weiße- und rote Rebsorten, die für den Anbau zugelassen sind. Auch andere große Weinländer in der EU wie Frankreich haben die Forschung und Züchtung dieser Sorten in den vergangenen Jahren stark vorangetrieben. Viele Weintrinker haben allerdings eine klare Vorstellung, welcher Wein ihnen schmeckt, und sie kennen die neuen Sorten schlichtweg nicht. Deshalb spielen die Schutzgemeinschaften bei der Markteinführung eine große Rolle. Ich habe die Branche aufgefordert, bei der Festlegung von Rebsorten in den Produktspezifikationen auch die neuen pilzfesten Rebsorten zu berücksichtigen. Nur so werden widerstandsfähige Sorten, wie zum Beispiel der Calardis Blanc oder der Regent, noch weiter bekannt gemacht und dann auch nachgefragt. PIWIs stehen für mehr Nachhaltigkeit im Weinbau und sparsamen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln – und sie schmecken. Für die Vermarktung ist das doch eine hervorragende Kombination.
bonvinitas: Sie haben ja eine Weingesetz-Reform durchgebracht, mit der vor allem für die Qualitätspyramide mehr Gewicht auf die Herkunft bzw. das Wachstum gelegt wird. Was könnte diese Reform auch Bezug auf PIWI-Sorten bewirken?
Julia Klöckner: Die neuen Rebsorten können einen wertvollen Beitrag zur Profilierung der Herkunft leisten. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass die Winzer und die Schutzgemeinschaften noch enger mit den Züchtern zusammenarbeiten. Gemeinsam können sie Rebsorten auswählen, die für die jeweilige Lage am besten geeignet sind. Nach der Klassifizierung einer neuen Rebsorte darf daraus Wein ohne geschützte Ursprungsbezeichnung oder ohne geografische Angabe hergestellt werden. Zum Markteinstieg haben PIWIs also die Chance, sich in diesem Basissegment oder als „Deutscher Wein“ zu beweisen. Ich werbe aber auch für Akzeptanz unter den Erzeugern, die neuen Rebsorten nicht nur als Sockel der Pyramide zu sehen. Von der Qualität und dem enormen Potential der PIWIs bin ich überzeugt.
bonvinitas: Frau Ministerin, wir danken Ihnen für dieses Interview!
Fotos: Ministerin Klöckner: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft; Landschaft: MP - stock.adobe.com; PIWI-Trauben: Rebschule Freytag
Anmerkung der Redaktion:
Es gibt inzwischen viele sehr gute Weine aus PIWI-Sorten. Das Verkosten lohnt. Wir hatten schon mehrfach berichtet und auch viele PIWI-Weine in unseren regelmäßigen Wein-Blindbewertungen, die sehr gut bewertet wurden: