Hier einige super Weinentdeckungen, denn wie immer bin ich neben unseren offiziellen Wein(blind)bewertungen durch neutrale Prüfer auf der Suche nach guten Tropfen, die ich als meine persönliche Meinung hier separat vorstellen darf:
Trebbiano d’Abruzzo DOC
Die Weingüter Masciarelli in San Martino S.M. in den Abruzzen sandte uns einige Weine. Sehr gut gefallen hat mir der weiße 2014 Castello di Semivicoli der Sorte Trebbiano, Trebbiano d’Abruzzo DOC (Denominazione di origine controllata – zu Deutsch geschützte Ursprungsbezeichnung, was Qualitätswein kontrollierter Herkunft und Qualität bedeutet) der Masciarelli Tenute Agricole, 13,5 %, den ich mit 90 Punkten (rote Punkte für trocken über 12 % Alkohol) bewertet habe: Blumiger Duft mit Anklängen an Orangenkonfitüre, reife Zitronen, leicht vegetativ mit Noten von grünen Bohnen unterlegt; auf der Zunge ein fülliger Tropfen mit eigener Persönlichkeit, die zwischen Frucht und floralen Noten balanciert, was den Wein interessant macht; auch im Finish wird man gut unterhalten, ob fruchtige oder florale Noten gewinnen. Ein amüsanter Wein mit gut drei bis vier Jahren weiterem Potenzial, passt gut zu Spargel, Kalbfleisch mit Wurzelgemüse, wie z.B. Schwarzwurzeln, oder zu Kalbsnierenbraten.
Trebbiano oder Trebbiano Toscano ist heute die meistangebaute Weißweinsorte Italiens und eine der ältesten. Auch im Süden Frankreichs ist sie vielfach zu finden, insbesondere im Cognac-Gebiet, wo sie Saint-Émilion heißt. In Italien werden die Weine häufig zum Verschnitt genutzt, doch gibt es eine Reihe geschützter Ursprungsbezeichnungen, die reine Trebbiano-Weine aus festgelegten Gebieten tragen dürfen, wie eben Trebbiano d’Abruzzo DOC.
Fürstlich Castell'sches Domänenamt, Gutsleiter Peter GeilEdle Silvaner und Riesling aus Franken
Das VDP Weingut Fürstlich Castell'sches Domänenamt in Castell in Franken hat uns ebenfalls Weine eingereicht – natürlich in Bocksbeutel. Wobei VDP für den vornehmen Verband der Prädikatsweingüter steht. Sehr gut gefallen haben mir:
Der 2016 Casteller Schlossberg Silvaner VDP Großes Gewächs (aus einer Großen Lage) trocken Deutscher Qualitätswein Franken, Gutsfüllung Fürstlich Castell'sches Domänenamt, 13 %, den ich mit 90 Punkten bewertet habe: Edler Duft unterlegt von feiner Reife mit Noten von reifen Birnen, Zitronat, Mandeln, Buttergebäck; auf der Zunge von vornehmer, mundfüllender Breite; elegantes, kräftiges, sehr beruhigend wirkendes Finish, das man gerne behält; ein Wein von sehr präsenter Eleganz, wie ein Schlosssaal, dem ich gerne drei bis vier Jahre weiteres Entwicklungspotenzial vermache, und der sehr gut zu Cremesuppen, Kalbsfrikassee, Kalbschnitzel oder auch zu Schinken in Brotteig mit Sauerkraut passt.
Mit 91 Punkten bewertet habe ich den 2008 Casteller Schlossberg Riesling VDP Großes Gewächs trocken Deutscher Qualitätswein Franken, Gutsfüllung Fürstlich Castell'sches Domänenamt, 13 %: Schon in der Nase edle Reife, wie sie edler nicht sein kann, mit Anklängen an reife Zitronen, getrocknete Aprikosen und Äpfel, Orangeat und einem Hauch Nougat; auf der Zunge ein Wein mit viel Persönlichkeit, diese Reife zu tragen und wunderbar zu füllen, was sich im Finish zu einem Erlebnis steigert. Schön, dass es so etwas gibt! Der Wein dürfte noch ein weiteres langes gutes Leben vor sich haben und macht sich bestens als Aperitif, zum Anstoßen bei Anlässen oder einfach zum Genießen.
Ebenfalls 91 Punkte wert fand ich den 2012 Casteller Schlossberg Silvaner VDP Großes Gewächs trocken Deutscher Qualitätswein Franken, Gutsfüllung Fürstlich Castell'sches Domänenamt, 14 %, zu dem ich notiert habe: Aristokratischer, geschliffener Duft mit Noten von Williamsbirne, Mandeln, Walnüssen, Trockenfrüchten, wie getrocknete Feigen, Aprikosen, Äpfel; auf der Zunge ein edler, vornehm gereifter Tropfen mit Persönlichkeit und Terroirnoten; absolut rund gereiftes Finish unterlegt mit mineralischen Noten. Ein Wein, der mich an edle Pelze erinnerte, und dem ich gerne drei bis vier Jahre weitere Entwicklung vermache. Schön zu Spargel, Fisch gedünstet mit Kräutern, wie z.B. Aal grün, zu Rindfleisch mit Goethesauce oder Kalbsteak mit Pilzen in Sahne.
Montepulciano d’Abruzzo DOC
92 Punkte wert befand ich den 2015 Marina Cvetic Montepulciano d’Abruzzo DOC der Masciarelli Tenute Agricole, 14,5 %: Betörender Duft, der einen umfängt, nach Brombeer- und Heidelbeermarmelade, Schokolade, Leder, Toast; auf der Zunge ein eleganter, tiefgründiger Rotwein mit Terroirnoten, die eine Geschichte erzählen; elegant fruchtiges Finish mit reifen, gut eingebundenen Tanninen. Ein sehr feiner, hochwertiger Rotwein mit gut sechs bis acht Jahren weiterer Zukunft und schön zu Entenbrust, Rehrücken oder Roastbeef je rosa.
Mit 93 Punkten bewertet habe ich den 2012 Villa Gemma Montepulciano d’Abruzzo DOC Riserva der Masciarelli Tenute Agricole, 14,5 %: Geradezu aristokratischer vielschichtiger Duft mit Noten von Himbeer- und Kirschkonfitüre, Bitterschokolade, Sandelholz und an einen Humidor erinnernd; auf der Zunge ein edel-trockener Rotwein mit viel Tiefe; gekonnt zwischen Frucht und Tanninen balancierendes angenehm trockenes Finish, das man lange behält. Ein Wein wie ein Adagio eines Streichquartetts mit gut fünf bis sechs Jahren weiterer Zukunft. Passt gut zu Filetsteak, Château Briand oder Rehrücken.
Montepulciano ist sowohl eine Kleinstadt in der Toskana als auch eine rote Rebsorte, was jedoch auseinander zu halten ist. Denn die Sorte kommt wohl ursprünglich aus der Toskana, wird dort aber kaum noch angebaut und hat mit dem Vino Nobile di Montepulciano nichts zu tun, der aus Sangiovese gekeltert wird. Hingegen findet sich die Sorte Montepulciano in Mittelitalien, wo sie es zu zahlreichen DOC-, ja sogar DOCG-Gebietseinträgen geschafft hat. Das „G“ steht für Garantita und bedeutet noch eine Qualitätsstufe höher. So gibt es die Montepulciano d’Abruzzo DOC Weine, die zu mindestens 85 % aus Montepulciano bestehen müssen. Montepulciano Weine sind farbintensiv, samtig, vollmundig, extraktreich, mit deutlich Alkohol und dezenterer Säure.
Marina Cvetic mit Tochter Miriam Lee Masciarelli, die die Weingüter heute leiten.Die Masciarelli Tenute Agricole
Die Masciarelli Tenute Agricole in San Martino S.M. wurden 1981 von Gianni Masciarelli gegründet, ein Pionier der modernen Weinbereitung in den Abruzzen und Symbolfigur der neuen italienischen Weinszene. In weniger als 30 Jahren wuchs das Unternehmen zu den Vorzeige-Weingütern Italiens. Nach Giannis frühem Tod 2008 entschied sich die Ehefrau, Marina Cvetic, weiterzumachen, und schuf zusammen mit ihrer Tochter, Miriam Lee Masciarelli, eine Erfolgs-Story. Miriam Lee, die den größten Teil ihrer Kindheit und Jugend in den Weinbergen und Kellern der Familie verbrachte, liegt der Wein sozusagen im Blut. Nach des Vaters Tod wirkte die 18-jährige als Verwalterin der Güter und begann bereits während ihres Studiums mit der Arbeit als Junior-Brand-Managerin. So kennt die heute 28-jährige die Weinberge und die Weinbereitung wie ihre Westentasche, wobei ihre besondere Leidenschaft der Aufwertung des Bodens gilt. Mutter und Tochter bauten Masciarelli weiter aus, so dass das Unternehmen heute über 60 Weinbergsparzellen in allen vier Provinzen der Abruzzen besitzt, dass es zu den 100 wichtigsten Weingütern Italiens gehört und in 55 Länder exportiert.
Castello di Semivicoli ist ein interner Weinlinienname und bezieht sich auf das Schloss di Semivicoli in Casacanditella, das die Familie gekauft und bestens renoviert hat. Marina Cvetic und Villa Gemma sind ebenfalls Weinliniennamen, und man rät sofort, woher der Linienname Marina Cvetic rührt. Villa Gemma ist ein Winzerhaus in den Weinbergen.
Das VDP Weingut Fürstlich Castell'sches Domänenamt
Erstmals kommen jetzt die nach der VDP Klassifizierung Großen Gewächse (aus einer Großen Lage) des Fürstlich Castell’schen Domänenamtes in Castell/Franken nach verlängerter Reifezeit auf den Markt. Im Frühjahr 2017 hatte das Castell-Team die Änderung des Beginns der Vermarktung der Premiumweine bekannt gegeben. Die weißen VDP Grossen Gewächse des Jahrganges 2016 sind jetzt ab September 2018 nach der erweiterten Faßreifezeit von 18 Monaten und weiterer Reife auf der Flasche erhältlich. Weingutsleiter Peter Geil: „Das Warten hat sich gelohnt. Die beiden Schlossberg Silvaner GG und der Schlossberg Riesling GG profitieren von der längeren Zeit auf der Hefe und im Holzfass und zeigen sich komplex, eigenständig und mit noch mehr Charakter. So können wir die geschmackliche die Abgrenzung zu den VDP Erste Lage Weinen, die sich vergleichsweise früh öffnen, deutlich herausstellen.“
Die Rebstöcke der Casteller Großen Gewächse wachsen in der traditionsreichen fünf Hektar GG Lage Schlossberg auf kargem Gipskeuperboden. Mit seiner nur dünnen Auflage an humusreichem Mutterboden verlangt der Schlossberg den Reben alles ab und zwingt sie, ihre Wurzeln tief in das Urgestein zu treiben. Dadurch werden die Weine vom Gipskeuper und Alabaster geprägt und bekommen so ihre Mineralität und ihren Terroircharakter sowie auch ihr Reifepotential.
Das fränkische, am Steigerwald gelegene VDP-Weingut, das von Ferdinand Fürst zu Castell-Castell geführt wird, bildet die Wiege des Silvaneranbaus in Deutschland. Seit rund acht Jahrhunderten wird dort Weinbau betrieben und bereits 1659 veranlasste die fürstliche Familie die erste Silvaner-Pflanzung im Casteller Schlossberg. Heute nimmt Silvaner 40 Prozent der gesamten Rebfläche ein. Weitere Sorten sind Riesling, Weißburgunder und Spätburgunder. Zum 70 Hektar Eigenbesitz kommen weitere 40 Hektar der Erzeugergemeinschaft Castell e. V. hinzu, die alle unmittelbar um den Weinort Castell liegen.
Die Großen Gewächse und Ersten Lagen werden bei Castell mehr und mehr spontan vergoren, was die geschmackliche Ausprägung der einzelnen Lagen noch besser zur Geltung bringt. Eine wichtige Rolle darüber hinaus spielt der Ausbau in großen Holzfässern, die aus gutseigener Steigerwaldeiche gefertigt werden.
Text: Dieter Simon, Chefredakteur und Herausgeber bonvinitas; Quelle Masciarelli: Sarah Hachmann, ff.k. Public Relations GmbH, Hamburg; Quelle Fürstlich Castell’sches Domänenamt: Eva-Maria Haag, organize communications, Karlsruhe; Titelmontage bonvinitas; Foto Schlossberg: Jens Hauspurg; Foto Gutsleiter Geil: Rolf Nachbar; übrige Fotos: PR